Rennradtouren

Drei Tage mit Sack und Pack in den Alpen

Mit dem Rennrad in die Alpen. Jochpass, Hahntennjoch, Piller Höhe, Reschenpass, Stilfser Joch, Umbrail, Ofenpass, Flüelapass - 470 Kilometer und über 10.000 Höhenmeter mit großem Gepäck.

Sweet Home

Mittwoch, 5. August: Herlazhofen-Prutz

Nach der verregneten Radtour zum Ammersee am vergangenen Wochenende meldet sich seit heute endlich der Sommer zurück. War er eigentlich schon da? Eher nein - also der Sommer meldet sich an! Jetzt kann meine schon so lange geplante Alpenrunde angegangen werden. Das Crossrad hat sich als "Lastesel" inzwischen sehr gut bewährt, mit der 34/32er Übersetzung sollten auch lange Passauffahrten mit Gepäck gut möglich sein. Vollgepackt mit Schlafsack, Minizelt und allem anderen, was bei einer 500 Kilometer Tour unbedingt dabei sein muss, geht es am Mittwoch früh um 7 Uhr endlich los.

Von Herlazhofen zunächst auf vertrauter Strecke über Hinznang und Friesenhofen nach Großholzleute. Auf feinen Nebenstrassen weiter nach Seltmanns und über Missen nach Immenstadt. Ein kleiner Zwischenfall bringt hier nach gut 40 Kilometern die erste Zwangspause. Verbotenerweise nehme ich nicht den völlig chaotischen Radweg durch Immenstadt und fahre stattdessen die kurze Umgehung. Die ist für Radfahrer aber verboten.

Kurz nach einer Unterführung werde ich von der bayerischen Polizei aufgefordert "mal rechts ranzufahr´n". Nach einer eindringlichen Belehrung und dem Extrahinweis, dass Schilder auch für Radfahrer gelten, werde ich noch nach Ausweispapieren gefragt. "Aber sie haben sicher gar nix dabei" . Doch, habe ich! Der Beamte dachte wahrscheinlich, dass in meinen Packtaschen außer Rotwein nichts wäre. Das, obwohl ich mich morgens extra noch frisch rasiert hatte. Ich glaube, der junge Polizist war nicht gerade ein Freund der Radfahrer. Am Ende lässt er dann aber doch noch Milde walten und ich komme mit einer mündlichen Verwarnung davon. Ein Schmunzeln kann ich mir dann aber doch nicht verkneifen, als ich den riesigen Rückstau sehe, den die Gesetzeshüter mit ihrem auf der Durchgangsstrasse stehenden Auto verursacht haben. Ich gelobe Besserung!

Über Burgberg kommt bei Kilometer 65 Sonthofen in Sicht. Umleitung auf meiner geplanten Strecke, wer das Sonthofener Radwegenetz kennt, weiß was das bedeutet! Nur gut, dass ich nicht völlig ortsunkundig bin und über einen guten Orientierungssinn verfüge. Irgendwie finde ich den Weg nach Bad Hindelang. Hier gibt´s erst einmal in einem schattigen Buswartehäusle ein paar Reiswaffeln. Inzwischen ist es 10 Uhr und schon richtig heiß. Die Jochstraße ist zum Glück noch im Schatten von Iseler und Wannenjoch. Und weil es noch recht früh ist sind nur wenig Motorradfahrer unterwegs und der Ausflugsverkehr ist wohl schon durch. Fototermin auf der Kanzel, die Polizei ist auch da und beobachtet von dort mit dem Fernglas den Verkehr. Find ich gut, manch einer fährt hier hoch und verwechselt die Straße mit einer Rennstrecke. Gerne hätte ich da ne Weile zugesehen.

Aber die Zeit drängt und ich fahre durch das Tannheimer Tal auf schönen, verkehrsfreien Sträßchen Richtung Gaichtpass und dann runter in das Lechtal. Vorbei an Stanzach, hier geht es links weg ins Namloser Tal, erreiche ich schließlich Elmen. Hier beginnt die Hahntennjochstraße. Gleich die erste Rampe hat es ordentlich in sich, geschätzte 13 Prozent - gefühlt sind es ein paar mehr. Der Motorradverkehr ist nun so lästig wie eh und je. In den beiden kurzen Tunnels steigert sich das schnell vom lästig sein zur schieren Wut auf die dröhnenden Maschinen und ihre Fahrer. Ausnahmen gibt es natürlich auch, aber die sind wirklich selten. Aber es ginge schon auch anders. Der Blick hinab ins Bschlabser Tal oder zurück auf die Allgäuer Alpen jedenfalls bleibt ihnen verwehrt. Mir nicht, und ich fühle mich großartig in dieser großartigen Landschaft.

Bei der Abzweigung nach Boden bin ich auf 1400 Meter Höhe angekommen. Die Steigung übertrifft ab hier bei weitem das, was bisher hinter mir liegt. Bis Pfafflar steigt die Strasse mit 5 Kehren sakrisch an. Die Karte sagt 18 Prozent, klingt glaubwürdig. Bis zur Passhöhe auf 1894 Metern Höhe habe ich von Elmen aus 918 Höhenmeter hinter oder besser unter mir gelassen.

Die Passhöhe ist gut besucht, als Startort für Bergtouren in die umliegenden Berge bietet sich das Hahntennjoch natürlich auch an. Volle Parkplätze, die inzwischen obligatorische Imbissbude und - na klar - jede Menge Motorradfahrer. Den Gag des Tages bringt heute eine Gruppe

Hahntennjoch

aus Bayern. Irgendjemand ruft dass es nun Zeit wäre für das "Beweisfoto". Mr. Obercool latscht im John Wayne Stil zu seinen Kollegen und meint nur "ah wa, weg´n 1900 Metern doch ned!". Als ob es eine Rolle spielt ob er mit seinen 140 Pferdestärken nun auf 1900 oder 2800 Meter hochfährt. Aber egal, das Angebot der Imbissbude spricht mich eher nicht an und ich sehe zu das ich weiter komme. Schließlich liegt noch ein gutes Stück Weg vor mir.

Die Abfahrt nach Imst ist mit dem Gepäck und den miesen Cantileverbremsen nicht wirklich spaßig. Geht verdammt steil runter, Steigungsprozente ähnlich wie bei der Auffahrt. Dann Imst. Eng und verwinkelt, mächtig viel Verkehr und zunächst kein einziger Wegweiser. Aber ich bin eh auf der Suche nach einem Supermarkt oder Getränkehandel. Endlich! Eineinhalb Liter Mineralwasser füllen meine Trinkflaschen, die Kassiererin - ganz Stressfrei - erklärt mir den besten Weg nach Arzl im Pitztal. Nur blöd das ich die landesübliche Aussprache des Ortes nicht kannte. Ooooaarzl. So heißt das. Ein schon wieder adrenalinhaltiges Stück Autobahnzubringer bringt mich dann über den Inn Richtung Pitztal.

Die Piller Höhe ist mein nächstes Ziel. Ich weiß nur, dass es steil sein soll da hinauf. So ist es dann auch. Aber allemal besser als auf der stark befahrenen Bundesstraße unten im Tal zu fahren. Zwischen 7 und 14 Prozent Steigung gilt es bis zu bewältigen. Bis Wenns herrscht dichter Verkehr, aber nach der Abzweigung Richtung Piller wird es richtig ruhig. Beruhigend für mich ist auch, dass dies heute mein letzter Anstieg sein wird. Der Gacherblick ist mit 1559 Meter ü.M. der höchste Punkt der Piller Höhe. Die Anstrengung wird mit einem wirklich grandiosen Blick in´s Inntal belohnt. Und diese fast schon himmlische Ruhe hier oben! Es ist nun schon gegen 18 Uhr, nur einige Wanderer kehren von ihren Touren zurück zum Parkplatz. Noch die Abfahrt nach Prutz, die von zwei unerwarteten Gegenanstiegen heftig gebremst wird. In Prutz finde ich den Campingplatz erst nach einigem Suchen. Hier verbringe ich die erste Nacht meiner Tour.

| 170 Kilometer | 3463 Höhenmeter |


Donnerstag, 6. August

Zweiter Tag: Vom Campingplatz in Prutz über den Reschenpass nach Prad und dann über das Stilfser Joch zum Umbrailpass. Von Sta. Maria im Münstertal ein Stück auf der Ofenpass-Straße, Übernachtung auf einem kleinen, aber gemütlichen Campingplatz in Tschierv/Graubünden

Reschenpass

Nach einer nicht ganz einfachen Nacht - Krämpfe in der linken Oberschenkelmuskulatur haben mich geplagt - habe ich um 6:30 Uhr nach einem kargen Frühstück mit Reiswaffeln und Apfelschorleresten meine Sachen zusammen gepackt und mich auf den Weg gemacht. Mit dem Vorsatz, viel mehr zu trinken als gestern, ziehe ich in Richtung Reschenpass los. Bundesstrasse auf den ersten Metern, schlimmer LKW Verkehr macht mir Angst. Dann die Erlösung, kurz nach Prutz ist die Bundesstraße für den Fahrradverkehr gesperrt. Ab Ried a. Inn führt der Inntalradweg, zum Glück gut beschildert, im Zickzackkurs nach Pfunds. Ab hier wäre die Bundesstrasse für mich befahrbar, aber wegen dem regen Verkehr wage ich es und fahre in den Ort hinein und finde dann auch eine Route bis zur Kajetanbrücke. Auf schmalem, aber immerhin asphaltiertem Waldweg, komme ich dann auf die Strasse nach Hochfinstermünz, Nauders und Reschenpass. Ab Hochfinstermünz wird das dann zu einer echten Horror-Show! Ständig Galerien und Tunnels, LKW´s, Motorräder, PKW´s, Busse. Und alle haben es furchtbar eilig. Gute Idee, die Warnweste mitzunehmen und dann auch anzuziehen, dass Rücklicht einzuschalten und auch vorne mit Festbeleuchtung diese Passage zu fahren. Zu einer gefährlichen Situation kam es dank meiner Vorsichtsmaßnahmen nie - aber beängstigend ist das schon!

Ab dem ehemaligem Fort Nauders wird es dann wieder erträglich, diese bedrohlichen Situationen jedenfalls gibt es nicht mehr. Kurz vor Nauders gibt es dann sogar ein klein wenig Paßgefühl, es gibt ein paar Kehren! Nach dem ehemaligem Grenzübergang führt ein Radweg westlich um den Reschensee herum. Am Seeufer gönne ich mir bei strahlendem Sonnenschein mein zweites Frühstück. Meine Salamibrötchen, die ich nun aus meinem "Freßbeutel" rauskrame, haben sich gut gehalten und schmecken richtig lecker. Nach dieser Stärkung mache ich mich auf den Weg um den Reschensee, überquere am Ende die Staumauer und habe von hier eine gigantische Aussicht. Vor mir der Haider See, tief unten der Vinschgau und ganz hinten unter anderem der Ortler (3905m). Diesen höchsten Berg der Dolomiten werde ich heute noch öfters bestaunen können.

Aber zuerst im Coop in San Valentino Wasser kaufen. Bis Malles fahre ich auf der Bundesstrasse und beachte die Radwegschilder nicht. Ich bin hinter meinem Zeitplan und will versuchen, wenigstens einiges wieder reinzuholen. In Malles biege ich dann aber doch auf den Radweg ab, der Verkehr ist enorm auf der Bundesstrasse. Immer bergab fahrend erreiche ich bald Schluders, dass wieder auf der SS40 durchfahren wird. Hier kann ich den Verlockungen eines Straßencafes nicht widerstehen. Himbeerkuchen, dazu ein Cappuccino. Dem Eis entsage ich, obwohl die Versuchung angesichts der brütenden Hitze hier unten schon groß ist. Schnell noch auf der Toilette etwas aufhübschen, Flasche füllen und weiter geht es nach Prad.

Ich nehme wieder den Radweg, auch ein längerer Schotterabschnitt stört mich nicht. Die 35er Reifen werden das schon aushalten. Ich bin nun im Nationalpark Stilfser Joch, mit über 132.000qm eines der größten und Interessantesten Schutzgebiete Europas. Ich kann mich hier gar nicht satt sehen, plötzlich bin ich in Prad (913m). Ab hier gibt es nur noch einen Weg, und der führt über 24,6 Kilometer und 1844 Höhenmeter auf die Passhöhe des Stilfser Jochs auf 2757 Meter. Zuerst noch leicht steigend, schön zu fahren. Das geht so bis Gomagoi (1267m). Ab hier sind alle 48 Kehren abwärts nummeriert und zum Teil mit Höhenangaben versehen. Für mich ganz praktisch, mein Tacho hat nur 4 Funktionen und so kann ich ab und zu sehen, auf welcher Höhe ich mich nun schon oder erst befinde. Es gibt noch Bäume, die angenehmen Schatten spenden. Bevor ich Trafoi (1543m) erreiche fülle ich meine Flaschen noch, eine Leitung aus dem Fels spendet das kostbare Nass.

Die unterste Kehre

Nach Trafoi wird mit zahlreichen Kehren und Rampen mit 13 Prozent Steigung ein Föhrenwald durchquert. Bei ca. 2000m ist die Baumgrenze erreicht. Bei Kilometer 18 ab Prad erreiche ich die Franzenshöhe auf 2187 Meter. Hotel, Restaurant und Bar gibt es hier. Meine Flaschen sind leer und ich fahre die paar Höhenmeter hinunter zum Restaurant, bestelle mir ein Aqua Minerale con Gas, das ich auf der Terrasse trinke. Der Blick hinauf zur Passhöhe lässt böses erahnen. Die letzten 6 Kilometer werden wohl die schwersten sein, von hier sieht das fast unüberwindbar aus. Erbaut wurde das alles 1820-1826, bis heute ist die Streckenführung fast unverändert. Oft direkt übereinander gelagert, führen die restlichen Kehren die letzten 600 Höhenmeter hinauf zur Passhöhe.

Den extremen Motorradverkehr ignoriere ich inzwischen, man muss sich eben irgendwie arrangieren. Als ich endlich oben ankomme ist es schon 17 Uhr. Ich sehe mir den Rummel auf der Paßhöhe eine Weile lang an, wundere mich über die vielen Bratwurstbuden - schlappe 5 Euros für eine Fetttriefende Wurst - kaufe ein paar Postkarten, schicke ein paar kurze Grüße in die Heimat.

Über den Ofenpass werde ich heute nicht mehr kommen, aber mein Tagesziel war ja von vornherein Tschierv und Zernez nur Option, falls es sehr gut laufen sollte. Der Umbrailpass (2501m) ist von hier aus kein wirkliches Hindernis, nur auf der Abfahrt im engen Tal ist fast schon dunkel.

Bis Santa Maria bin ich fast alleine unterwegs, nur ein paar Radfahrer begegnen mir. In Santa Maria (1375m) komme ich gerade noch rechtzeitig in den Bäckerladen. Eigentlich ist schon geschlossen, aber eine Verkäuferin hat Erbarmen und lässt mich in den Laden. Groß ist die Auswahl nicht mehr, aber die zwei Mürbteigdinger werden mir für das Frühstück am kommenden morgen erst einmal reichen. Also kann es weitergehen. Bis Tschierv (1664m) sind es noch ungefähr 10 Kilometer und eben auch weitere 300 Höhenmeter.

Der Name Tschierv ist übrigens romanisch und bedeutet Hirsch. Wieder was gelernt! Der Campingplatz hier ist winzig, bietet aber alles, was nötig ist. Der sehr freundliche Platzbesitzer macht mich noch auf den kleinen Swimmingpool aufmerksam, dessen Benutzung im Preis enthalten ist. Mir ist heute nicht nach Pool, ich habe Hunger. Gut das quasi gleich um die Ecke ein Restaurant ist. Spaghetti Bolognese und zwei Calanda runden den anstrengenden, aber wunderschönen Tag gelungen ab.

Gut 280 Kilometer habe ich nun seit meiner Abfahrt auf dem Tacho, heute also 118 Kilometer und über 3700 Höhenmeter. Zufrieden mit mir und der Welt um mich herum verbringe ich eine ruhige Nacht.

| 118 Kilometer | 3773 Höhenmeter |


Freitag, 7. August

Dritte und letzte Etappe: Vom Campingplatz in Tschierv über den Ofenpass und Flüelapass nach Davos. Weiter nach Landquart und auf dem Rheindamm bis nach St. Margrethen. Auf dem Bodensee-Radweg über Bregenz nach Lindau.

Ofenpass

Noch vor sechs Uhr stehe ich auf, die beiden Mürbteiggebäck-Stücke haben die Nacht gut überstanden und sind nun mein Frühstück. Dazu gibt es Wasser, in dem ich eine leckere Magnesiumtablette aufgelöst habe. Dass mir! Für gewöhnlich lasse ich mir viel Zeit beim Frühstück und genieße das auch! Dazu Kaffee. Heiß und gut. Aber um diese Zeit ist hier nichts zu machen. Also fahre ich schon um halbsieben los. Mit ohne Frühstück.

Vom Start weg geht es bergauf, bis zum Ofenpass (2149m) habe ich doch gut 500 Höhenmeter zu fahren. Es ist kalt, Beinlinge und Windjacke wärmen aber gut. Wenn ich zurücksehe habe ich den Ortler im Blick, Schneeweiß scheint er im Sonnenaufgang. Es ist noch wenig los, nur einige Lieferwagen begegnen mir. Die Strasse steigt nie sehr steil an, nach einer ersten Kehrengruppe erreiche ich die Passhöhe.

Auf der folgenden Abfahrt bin ich froh, dass ich die Beinlinge noch anbehalten habe. Es ist nun 8 Uhr und immer noch kühl. Bis die Sonne in das Tal scheint, werde ich längst auf dem Weg zum Flüela Pass sein. Ich fahre an der Abzweigung Punt La Drossa vorbei, durch eine enge Tunnelröhre geht es nach Livignio. Übrigens nur noch mit einem Shuttle-Bus, für Radfahrer ist die Durchfahrt seit einiger Zeit verboten.

Nun beginnt der unangenehme Gegenanstieg, die Gegend ist hier sehr einsam. Nur einzelne Höfe tauchen ab und zu auf. Ach ja, ich bin ja schon wieder in einem Nationalpark. Parc Naziunal Svizzer, romanisch. Auf gut schwäbisch heißt das "Schweizerischer Nationalpark".

Nach einer schnellen, kurvenarmen Abfahrt, erreiche ich Zernez (1474m). Zeit für ein ordentliches Frühstück! Der Ort ist schon sehr belebt, nach einigem Suchen finde ich ein Kaffee, in dem ich frühstücken kann. Die Beinlinge sind nun nicht mehr nötig, es ist nun schon richtig warm. Kaffee, etliche Hörnchen und ein Valser-Wasser tun nun gut. Und sind auch bitter nötig.

So gestärkt mache ich mich auf den Weg nach Susch, hier beginnt der Flüela Pass. Bis Susch geht es nur bergab, diese 6 Kilometer fallen leicht! In Susch beginnt dann gleich der Anstieg zum Flüela Pass, der Verkehr ist nun wie gewohnt recht stark. Auch hier wird es nie richtig steil, die 10 Prozent-Marke wird nicht überschritten. Oder habe ich mich inzwischen an Steigungen jenseits dieser Klasse gewöhnt? Nein, auch der Belag ist sehr gut und das schöne Wetter ist gut für Beine und Seele. Nach der Baumgrenze komme ich in eine grandiose Landschaft und ich mache eine kleine Pause.

Im Westen tut sich das Val Grialetsch auf, umrahmt von Piz Arpschella und dem mächtigen Schwarzhorn. Hinter diesen Bergen bin ich im vergangenen Jahr mit dem Mountainbike über den Scaletta-Paß ins Val Susauna gefahren. Ein guter Platz ist das hier, am liebsten würde ich hier noch eine Weile sitzen. Aber ich habe noch einen langen Weg vor mir und muss weiter.

Vor mir taucht eine Kehrengruppe auf, dahinter vermute ich die Passhöhe des Flüela. Wie man sich täuschen kann! Nur noch wenig ansteigend zwar, aber doch noch ein gutes Stück weiter, erreiche ich dann endlich den Scheitelpunkt auf 2383m Höhe. Ganz schön viel los hier. Ich fahre nach dem obligatorischen Passfoto weiter zum Ende des Sees und bestaune einmal mehr dieses Panorama. Gut kann ich in das Flüela-Tal hinab sehen, gleich werde ich dort hinab fahren und Davos-Dorf (1560m ) erreichen.

Die Abfahrt ist herrlich, nach den oberen Kehren schlängelt sich die sehr gut ausgebaute Strasse durch das Flüela-Tal und lässt hohe Geschwindigkeiten zu. In Davos will ich meine Flaschen füllen, finde hier aber keinen Laden. Dazu müsste ich ein Stück hoch nach Davos-Platz fahren. Will ich aber nicht, hier geht es zu wie auf einem Jahrmarkt. Ich hoffe in Davos-Wolfgang an trinkbares zu kommen. Es ist wieder heiß heute, 30 Grad werden das sein. Gleich nach den 70 Höhenmetern bis Davos-Wolfgang sehe ich sie dann endlich: Eine Tankstelle, allerdings auf der anderen Straßenseite. Dort hinüber zu kommen ist gar nicht einfach. Also stelle ich mich brav an einen Fußgänger-Überweg und warte...und warte.... Ein Autofahrer schließlich erbarmt sich und lässt mich rüber. Ein irrer Verkehr herrscht hier, ich hoffe das meine Abfahrt etwas ruhiger verläuft. Immerhin ist Mittagszeit.

Wolfgangpass

Nach zwei großen Mineralwassern, einem Calanda und einer Salamisemmel (14 Euro´s!) darf ich mich freuen. Bis Lindau geht es theoretisch nur noch bergab! Yippie-ay-yeah! Der Verkehr hat tatsächlich stark nachgelassen, die Abfahrt nach Klosters macht - frisch gestärkt - mächtig Spaß. Ein kurzer Anstieg in Klosters bremst mich zunächst, gleich geht es aber wieder talwärts. Zunächst noch auf der Bundesstrasse, bald wird der Radverkehr aber auf Nebenstrassen umgeleitet. Das haben die Eidgenossen wirklich gut gemacht! Nur ab und zu sind noch kleinere Steigungen auf meiner Fahrt nach Landquart zu meistern. So sind die 40 Kilometer von Davos an den Rhein ein echtes Vergnügen. Landschaftlich besonders schön finde ich die letzten Kilometer vor Landquart, die Strasse verläuft hier verkehrsfrei am Fluss Landquart entlang.

Landquart selbst ist sehr belebt, vor allem was den Verkehr betrifft. Nun noch den Rheindamm-Weg finden. Ich steuere den Bahnhof an. Wie ich vermutet habe sind von hier aus die Radwege in alle Richtungen ausgeschildert. Es ist nun 15.30 Uhr und ich liege gut in meinem Zeitplan. Den Rheindamm-Weg finde ich gleich. Nur die "Fahrbahnbeschaffenheit" enttäuscht mich. Die ersten Kilometer sind Schotterweg. Ich bin ohne Panne den Umbrail runter gekommen, also wird das hier schon auch noch gehen. Sonst müsste ich zurück und die Strasse bis nach Bad Ragaz nehmen.

Alles geht gut, nach ungefähr zwei Kilometern Schotterpiste ist der Weg dann gut asphaltiert und ich nehme Tempo auf. Wenn nur dieser heftige Gegenwind nicht wäre! Bad Ragaz, Sargans und Sevelen erahne ich nur durch die Wegweiser. Irgendwann muss ich hier runter und in einem der am Weg liegenden Dörfer was zum trinken besorgen. Beide Flaschen sind schon wieder geleert. Vor Buchs sehe ich dann auf der rechten Rheinseite Vaduz. Sitz meiner Hausbank, da muss ein Foto gemacht werden! Nun aber weiter, der Durst plagt mich. Bis Oberriet halte ich durch, ich verlasse den Rheindamm und fahre in den Ort. Das auf dem Radweg angepriesene Gasthaus (nur 400 Meter!) hat geschlossen. Zum Glück gibt es noch ein zweites. Hier verprasse ich meine übrigen Franken. Es reicht für eine Gulaschsuppe, die wirklich lecker ist, und zwei Gläser kühlem Bier. Meine Flaschen fülle ich am Wasserhahn und als Geschmacksverstärker gebe ich noch Magnesiumtabletten dazu.

Bis St. Margrethen kann es nicht mehr weit sein, von da bis Bregenz fehlt dann auch nicht mehr viel. Bald kann ich den Pfänder erkennen und weiß, dass die Heimat nah ist. Bei St. Margrethen komme ich auf den Bodensee-Radweg. Das es auf so einer langen Tour auch mal etwas schlimmer kommen kann, liegt auf der Hand. Aber das es so schlimm kommen kann hätte ich nicht gedacht. Dank der seltsamen Beschilderung lande ich auf der Halbinsel Hard. Sackgasse. Also zurück, ein freundlicher Wanderer erklärt mir den Weg. Ich muss über beide Rheinbrücken, dann komme ich nach Bregenz. Festspielzeit, und ausgerechnet um die Einlasszeit muss ich hier sein. Tausende Passanten, zum Teil in echte "Abendroben" gekleidet, versperren den Radweg. Zum Glück entdecke ich etwas abseits eine Alternativroute. Aber auch die ist mit Inlinern, Kinderwägen, Radfahrern und Fußgängern ziemlich überlastet. Für die gut 10 Kilometer von Bregenz nach Lindau geht eine ganze Stunde drauf. Aber wie immer wird am Ende alles gut. Nach kurzem Telefonat werde ich am "Lindaupark" von meinem Engele abgeholt.

Jetzt erst einmal eine Tankstelle anfahren, eine Dose Bier - schön gekühlt - holen, und dann nach Hause.

| 182 Kilometer | 2964 Höhenmeter |


| Gesamtstrecke: 470 Kilometer | 10.200 Höhenmeter | Fahrzeit: 19 Stunden |

Fotos