Rennradtouren

Durch das Appenzellerland zum Rheinfall

Durch das Appenzeller Land zum Rheinfall. Eine herrliche Zweitages-Rennradtour von Bad Waldsee über Bregenz ins Appenzeller Land und zum Rheinfall. Am zweiten Tag von Gailingen zurück nach Bad Waldsee.

Am Rheinfall

Samstag, 2. April 2011

Es stimmt schon, zu Beginn der Radsaison gleich eine Zweitagestour mit vielen Höhenmetern fahren zu wollen, trägt schon leicht frevelhafte Züge. Aber wir, das sind einmal mehr das Trio Florian, Wolfgang und ich, sind zuversichtlich. Schließlich waren wir alle im Winter nicht faul. Was soll man auch machen, wenn für das erste Aprilwochenende bestes Wetter mit Temperaturen um die 26 Grad angekündigt werden? Und - was für ein Glück - die Damenwelt eigene Pläne hat!

Nur wohin? In unbekannte Gefilde soll es schon gehen, von Zuhause aus erreichbar soll es sein und etwas bergig darf es auch sein. Schwarzwald? Kennen wir. Schwäbische Alb, na ja. Die Alpen? Noch zu viel Schnee, die meisten Pässe sind noch gesperrt. Bleibt das Alpenvorland. Ein Blick über den Bodensee bringt die Lösung. Im Appenzeller Land waren wir noch nie, jedenfalls nicht mit dem Rennrad. Also ran an den Speck und eine schöne Tour planen. Rund um den Bodensee, so könnte man die Tour nennen. Oder besser „weitläufig Rund um den Bodensee".

Obwohl noch zwei vergessene Trinkflaschen aus meinem Fundus ersetzt werden mussten, fahren wir wie immer pünktlich los. Mir reicht für mein Minimalgepäck die Sattelstützen-Gepäcktasche. Eine Kurze Hose, ein T-Shirt, eine Windjacke und etwas Waschzeug finden darin gut Platz, die Schuhe packe ich mittels Riemen oben drauf. Das muss reichen. Bloß kein Rucksack auf dem Rennrad! Andere packen ihre Sachen in mehr oder weniger geräumige Rucksäcke. Und bereuen das dann auch bald. Beim nächsten mal wird das anders … .

Schon die Fahrt nach Bregenz ist das schiere Vergnügen, fast nur auf verkehrsarmen Nebenwegen rollen wir gut gelaunt dem Bodensee entgegen. Die Alpen immer im Blick, was für eine gigantische Aussicht werden wir erst haben, wenn wir mal oben sind, im Appenzeller Land! Bregenz ist schnell erreicht, schon vor Lochau staut sich der Verkehr auf der Zufahrtsstraße. Wir rollen zügig an der nicht enden wollenden Schlange auf dem Radweg vorbei. Rechts der Bodensee, links der Stau. Wir sind gegenüber den im Stau stehenden eindeutig im Vorteil. Aber das passiert einem als Radfahrer ja öfter mal. Zügig durchfahren wir Bregenz, die für Busse reservierte Fahrbahn ist für Radfahrer freigegeben.

Bei Fußach verlassen wir die Straße und fahren auf dem Rheindamm-Radweg bis kurz vor Lustenau. Wir sind bei Kilometer 70, ab hier geht es zunächst an die zwölf Kilometer bergauf. Von

Bodenseehöhe, der liegt bei 400 Meter ü. NN, geht es hoch nach Schachen, dem höchsten Punkt unserer Tour. Schachen liegt auf 966 Meter Höhe. Aber bevor die Steigung beginnt versorgen wir uns noch in Au mit Ess- und Trinkbarem. Das Essbare wird dann nach der ersten Kehre bei einer kleinen Pause seinem Zweck zugeführt. Einen schönen Platz haben die Kollegen ausgesucht. Hinter uns plätschert ein Bach aus den Felsen, vor uns liegt ein klasse Alpenblick und unter uns die Rheinebene. Mensch, was willst du mehr!

Die folgende Steigung bis nach Schachen ist angenehm zu fahren, wenig Verkehr, sehr guter Belag und nie richtig steil. Gefühlte acht Prozent, höchstens. Die jungen Kerle sind mir bald ein Stück voraus, ohne Stress kurble ich mich nach oben und genieße die herrliche Landschaft und den ständig präsenten Blick auf den Säntis, der zum Greifen nah scheint. Ganz oben gibt es einen Postkartenblick auf den Bodensee, weit unten liegt Rorschach, davor ist Heiden zu sehen. Auffallend ist die Ruhe, die hier oben herrscht. Irgendwas fehlt. Wolfgang empfindet das auch so, es gibt, seltsam, keine störenden Nebengeräusche. Herrlich einfach.

Die erste lange Abfahrt des Tages bringt uns zum 300 Höhenmeter tiefer gelegenen St. Gallen, der Kantonshauptstadt. Ohne Probleme durchfahren wir die gut 72.000 Einwohner zählende Stadt. Und finden auch problemlos wieder heraus, eine schnelle Abfahrt bringt uns runter ins Tal der Sitter. Und unmittelbar danach wieder hoch, erst kurz vor Arnegg erreichen wir den Kulminationspunkt der Steigung auf 820 Meter Höhe. Die Abfahrt nach Arnegg lohnt der Mühen, 200 Höhenmeter Abfahrt vom feinsten folgen. Bis nach Niederbüren an der Thur geht es weiter abwärts, an die hundert Höhenmeter geht es sanft bergab. Ein kleiner Wirtschaftsweg bringt uns zum Golfplatz Niederbüren des Ostschweizer Golfclubs. Das sieht auch alles ganz gut aus, zunächst jedenfalls. Auf einem schmalem, sehr steilem Fußweg quälen wir uns nach oben. Deutlich jenseits der zwanzig Prozent Marke steigt die Gasse hoch, um dann in einem Schotterpfad zu enden. Erst in Niederhelfenschwil endet diese Passage und wir kommen wieder auf eine „normale" Straße. Es gibt dazu übrigens keine Umfahrungsmöglichkeit, ich habe nachgesehen!

Zur Belohnung geht es die folgenden zehn Kilometer wieder 200 Höhenmeter aufwärts. Zum Teil recht heftig. Aber das macht nichts, immer noch machen die Schweizer Straßen großen Spaß und bei diesem Wetter spielt das eh keine Rolle. Blöd ist nur, dass die Flaschen sich mehr und mehr entleeren und keine Auffüllmöglichkeit zu finden ist. Es ist Samstagnachmittag, alles hat geschlossen. Erst in Oberbussnang, bei Kilometer 140, entdecken wir ein uns genehmes Café. Zeit für ein Päuschen. Cappuccino, Hahnenwasser, weiter. Die Zeit drängt. Ein paar Steigungen weiter staune ich nicht schlecht. Steht da doch tatsächlich ein Ortsschild – ein wirklich echtes Schweizer Ortsschild, Blau. Wir sind in Tilsit. Tilsit verbinde ich mit schmackhaftem Käse und Osteuropa. Aber nicht mit der Schweiz. Auch die zahlreichen Plakate weisen auf die Tilsiter-Herstellung hin. Schweizer Tilsiter, seine Heimat ist hier in Holzhof bei Bisseg im Thurgau. Das muss ich klären, sobald ich wieder zuhause bin. Hier die Erklärung, für alle, die es noch nicht wussten:

Tilsit

Schweizer Auswanderer verbreiteten die Kunst des Käsens in vielen Ländern. So auch im einstigen Ostpreußen, das heute zu Russland gehört. Von dort, aus einem Städtchen namens Tilsit, kehrte der Thurgauer Otto Wartmann 1893 heim. In der Manteltasche hatte er ein Käserezept. Er verfeinerte es auf dem Holzhof im schönen Bissegg, Thurgau. Und er kultivierte die Käseherstellung mit völlig neuen Qualitätsmaßstäben. Der Schweizer Tilsiter war endlich zuhause. Auf dem Holzhof stellt heute die fünfte Generation der Familie Wartmann den feinen Tilsiter Switzerland her. Wie sie führen rund 30 Käsereien die Tradition des Tilsiter Switzerland fort. Die meisten sind Familienbetriebe und zwischen Bodensee, Zürichsee und Säntis zuhause. Quelle: Tilsiter.ch

Das wäre nun geklärt. Leider konnten wir diesen sicher köstlichen Käse nicht probieren. Und schon gar nichts davon mit nehmen. Schade.

Die langen Steigungen liegen nun hinter uns, wir kommen schnell weiter und sind zuversichtlich, den Rheinfall noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Nur noch gut 50 Kilometer sind es bis dahin. Wieder sind die Flaschen fast vollkommen geleert, und wieder sieht es mit der Auffüllsituation ganz schlecht aus. Eine Tankstelle bietet aus einem Automaten Evian Wasser an, der Viertelliter für fast fünf Franken. Dann lieber nichts. Erst in Langwiesen, einem Vorort von Schaffhausen, werden wir quasi auf den letzten Kilometern erlöst. Eine Coop-Tankstelle bietet Wasser in großer Auswahl zu fairen Preisen. Dazu sogar noch eine Winzigkeit zu Essen.

Es ist nun schon 19 Uhr, eine längere Steigung noch, dann sind wir am Hochrhein. Wir haben Glück, es sind kaum noch Ausflügler unterwegs. So fahren wir verbotener Weise den Gehweg Flussabwärts und kommen dann endlich zum Rheinfall. Keiner von uns war je hier, wir sind uns einig, das sich unsere Fahrt hierher gelohnt hat. Neben dem zwar doppelt so hohen, aber halb so wasserreichen Dettifoss auf Island, ist der Rheinfall immerhin der größte Wasserfall Europas.

Es dämmert nun schon etwas, bis nach Gailingen haben wir nach dem Routenplan noch fast 20 Kilometer zu fahren. Der Weg durch Schaffhausen ist etwas knifflig, am Ende landen wir auf einem Schotterweg, der am Hochrhein entlang nach Gailingen führt. Kurz vor Gailingen verlassen wir die Schweiz und kommen noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit nach 212 Kilometern in Gailingen an. Dort finden wir, so wie es geplant, aber nicht gebucht war, im „Hirschen" Unterkunft. Sehr empfehlenswert, das Essen war ausgezeichnet und mehr als reichlich. Auch die Räder konnten wir im abgeschlossenen Raum abstellen. 213 Kilometer und über 2400 sehr konzentrierte Höhenmeter liegen hinter uns, neuneinhalb Stunden sind wir dafür im Sattel gesessen. Genug für einen guten Schlaf.

| 213 Kilometer | 2400 Höhenmeter |


Zweiter Tag:

Von Gailingen durch den Hegau nach Sauldorf und Ostrach. Über Hoßkirch und Wolpertswende zurück nach Bad Waldsee

Nach einem sehr guten Frühstück machen wir uns kurz nach neun Uhr auf den Heimweg. Der führt gleich nach dem Ortsende von Gailingen erst einmal – wie sollte es auch anders sein – bergauf. Schließlich starten wir ganz unten, der Bodensee liegt gerade mal auf 400 Meter ü. NN. Ein ganz besonderes Schmankerl gönnen wir uns vor Eigeltingen. In Aach, um die 20 Kilometer haben wir bis dahin auf dem Tacho, sind wir, anders als das GPS es wollte, in den alten Ortskern gefahren. Der liegt ziemlich weit oben und ist nur auf einer Pflasterstraße zu erreichen. Wir bemerken den Fehler zwar, sind aber guter Hoffnung, dass wir von dort oben schon wieder irgendwie auf unsere Route kommen werden. Kommen wir aber nicht, also geht es eben wieder zurück. Aber nett war´s dort und wir bereuen nichts. Zudem hatten wir eine fantastische Aussicht.

Gleich nach dem Ortsende von Aach gibt es, jedenfalls für mich, einen kurzen Stopp. Ich stehe vor der größten Quelle Deutschlands! Der Aachtopf ist die wasserreichste Deutschlands. Hier entspringt die Radolfzeller Aach, die nach 32 Kilometern bei Radolfzell in den Bodensee mündet. Das Wasser kommt hauptsächlich aus der zwischen Immendingen und Fridingen versickernden Donau. So wird die obere Donau zeitweise zu einem Nebenfluss des Rheins. Wieder was gelernt. Radfahren bildet eben auch. Aber nur, wenn man ab und zu mal anhält.

Über Sauldorf kommen wir schließlich nach

Aachtopf

Wald. Hier gibt es ein großes Benediktinerinnen Kloster, an das die Heimschule Kloster Wald angeschlossen ist. Es wäre an der Zeit, die wieder mal fast geleerten Flaschen zu befüllen, aber wir finden nichts, was unseren Hohen Ansprüchen gerecht wird. In Ostrach, weit kann es bis dahin nicht mehr sein, werden wir bestimmt fündig. Mit etwas Glück vielleicht auch schon vorher. Florian versucht sein Glück kurz nach Otterswang zu finden, es gelingt ihm aber nicht. Die Gaststätte hat geschlossen. Neun Kilometer sind es noch bis Ostrach, das schaffen wir dann auch noch. Eine Bäckerei ist unser Glück. Eine gute Auswahl an Getränken, gekühlt sogar, steht bereit. Und Cappuccino, Laugenhörnchen, ein Streuselgebäck vom Vortag zum halben Preis, das sich Flori und ich teilen. Erkenntnis: Man muss nur lange genug suchen, dann findet man sein Glück schon. Wenn es auch nur ein kleines ist.

Wir müssen weiter, heute ist die Flandern Rundfahrt. Vielleicht kann ich wenigstens noch das Finale auf Eurosport sehen. Ab Hoßkirch fahren wir dann auf Nebenstraßen nach Ebenweiler und von dort aus, vorbei am Schreckensee und Vorsee, nach Wolpertswende. Nach 128 Kilometern kommen wir in Bad Waldsee an. Schön wars. Nicht nur wegen dem Wetter, das uns ja wirklich sehr verwöhnt hat.

Die Flandern Rundfahrt kommt gerade zum Bosberg, Cancellara kann nicht mithalten und muss am Ende dem Belgier Nick Nuyens den Sieg überlassen. Manchmal muss man sich eben auch beeilen, um Glück zu haben.

| 128 Kilometer | 1200 Höhenmeter |


| Gesamtstrecke: 340 Kilometer | 3600 Höhenmeter |