Rennradtouren bei Bassano del Grappa

Über Foza zum Croce ´d Aune - Die erste Königsetappe

Drei große Spitzen, unterbrochen durch viele kleinere, zeigt das Höhenprofil der zweiten Tour am Ende des Tages an. Eine kehrenreiche Fahrt zum Croce ´d Aune, auf dem ein Denkmal für Tullio Campagnolo steht. Hier kam ihm die Idee zur Entwicklung des Schnellspanners. Ein langer Weg wird das für uns.

Bassano

Montag, 2. September 2013

Inzwischen ja nicht mehr gänzlich ohne Ortskenntnisse, wissen wir gleich zu Beginn der heutigen Tour, dass wir am besten wieder über die schon gestern überquerte Wehranlage über die Brenta wechseln müssen. So machen wir das dann auch und gelangen so zur SP 73, die auch gleichzeitig Teil des Brenta-Radweges ist. Über Oliero, malerisch an der Brenta gelegen, kommen wir so zügig nach Valstagna an der Brenta. Die Abzweigung nach Foza übersehen wir zunächst, ohne Hinweisschild geht es links weg. Aber dank GPS ist der Fehler schon nach wenigen Metern bemerkt und korrigiert.

Gleich nach dem Ortsende von Valstagna zieht die schmale Straße kräftig an, um nach der ersten von 21 Kehren wieder abzuflachen. Fast flach geht es hinein in das Val Vecchia. Das Tal ist eng, und wir fragen uns angesichts der beidseitig senkrecht aufragenden Berge wo hier wohl eine Straße hochführen wird. Aber nichts ist unmöglich, es folgt die nächste Kehre. Dann gleich noch eine, darüber noch eine, und weils so schön ist noch eine ... . Wir sind absolut begeistert, mit sehr angenehmen Steigungswerten folgt Kehre auf Kehre. Dazu diese Ruhe. Nur GPS Empfang gibt es fast keinen, braucht man ja auch nicht. Verfahren geht hier nun wirklich nicht. Nur die Trackaufzeichnung sieht am Ende schon seltsam aus. Ich habe mitgezählt: Bis hoch nach Foza sind uns drei(!)Autos entgegen gekommen, zwei sind an uns vorbei gefahren. Motorräder(freu!): Null! "Altopiano dei Sette Comuni", so heisst diese einmalig schöne Hochebene, auf der Foza liegt. Die sieben Gemeinden sind bzw. waren eine deutsche Sprachinsel der Zimbern. Mehr darüber gibt es hier:Sieben Gemeinden

Die Abfahrt, auf der wir über Enego wieder ins Brenta-Tal kommen, ist ebenso wie der Anstieg ein wahrer Rennradfahrertraum. Guter Belag, nicht zu steil, im unteren Teil über 20 Kehren. Herrlich. Und auch hier so gut wie kein Fahrzeugverkehr. Traumhaft eben.

Der Brenta-Radweg ist in unsere weitere Fahrtrichtung gesperrt. Eine junge Rennradfahrerin erklärt uns, wie wir weiter kommen und begleitet uns sogar ein Stück weit. Sehr nett. Tezze Val Sugana, wir könnten etwas zu Essen und zu Trinken gebrauchen. Trinkbares bekommen wir in einer an der Straße liegenden Osteria. Aber wie das bei Osterias so ist, gibt es dort nichts zu essen. Nichts vernünfiges jedenfalls. Alles Jammern nützt nichts, wir verschieben den Hunger gekonnt auf später. Das können wir inzwischen richtig gut. Ein Blick auf den folgenden Streckenverlauf läßt uns erneut grübeln. Demnächst biegen wir links ab. Aber dort ist nur ein senkrecht aufragender, bewaldeter Berg. Wir erreichen Grigno, hier biegen wir ab. Also doch, auch hier wurde eine alte Militärstraße aus dem 1. Weltkrieg saniert und für den Verkehr freigegeben. Gesperrt für Busse und Fahrzeuge über 10 Meter Länge. Das liest man gerne, und solange die Straße nicht auch für Eselgespanne tabu ist, fährt man das ja auch sehr gerne.

Spektakulär geht es Kehre um Kehre hoch, der Weg wurde offensichtlich zu Kriegszeiten aus dem Fels gesprengt. Anders wäre ein hochkommen hier unmöglich. Ein gutes Stück weiter oben erinnert dann auch eine Gedenktafel an die 31 "Minatori", die hier im November 1918 zu Gange waren. Die Fotos von der Strecke verdeutlichen das alles sehr gut. Vorschaubild anklicken!

Unser nächstes "Fernziel" ist der Croce ´d Aune, den wir aber nicht über die bekannten Auffahrten von Feltre oder über den Col Falcon angehen werden.

Das wäre zu einfach, wir fahren zunächst, immer noch ansteigend, nach Castello Tesino. Kurz nach Castello Tesino: Trattoria "Tastavin" aperto! Yippie-Ay-Yeah, das verschieben des Hungers hat endlich fertig! Essensgäste werden um diese Zeit, es ist gerade 14:50 Uhr, eigentlich nicht erwartet. Die sehr gut deutsch sprechende Wirtin hat aber ein Einsehen und bietet uns Gnocchi Pomodori an. Dazu ein Liter Aqua Minerale con Gas, Coke. Die Antwort auf ihre Frage, wo wir denn herkommen und wo wir noch hin wollen, treibt der Gutesten einen Schrecken ins Gesicht. "Croce ´d Aune, ah ja. Weit ist das noch". Das wir eigentlich noch über den Monte Grappa wollen, verschweigen wir dann aus Rücksichtnahme auf das bisher faltenfreie, hübsche Gesicht der netten Wirtin des "Tastavin". Die Gnocchi waren lecker, das Wasser und die Coke gut gekühlt, die Wirtin faltenfrei und freundlich und wir sollten nun aber weiter. Geradeaus geht es zum Passo Brocon, wir biegen rechts ab.

Ab hier geht es die nächsten 15 Kilometer bergab, erst in Pian del Vescovo hat der Spass ein Ende und ein weiteres Stück Bergfahrt steht bevor. Eigentlich. Für uns ist früher Schluss. Mit Roter Kelle winkend hält uns ein Arbeiter der Staßenmeisterei auf, die wilde Abfahrt endet hier. Ein ziemlich großer Tannenbaum hat seinen Halt verloren und ist auf die Straße gestürzt. Na gut, dann warten wir eben, bis das Tannenbaum-Chaos aufgeräumt ist. Blöd ist nur, dass wir in einem ganz engen Tal, quasi in einer Schlucht, sind und ein ziemlich frisches Lüftlein unsere aufgeheizten und doch sehr geplagten Luxuskörper ins frösteln bringt. Also Jäckchen anziehen und weiter warten. Drei Autos müssen auch warten. Alle sind sehr geduldig, sogar Markus bleibt erstaunlich gelassen. Ein Lieferwagen stößt zu uns. Der Fahrer steigt aus, rennt vor, also dahin, wo wir sind, begutachtet die Lage, rennt zurück und will telefonieren. Geht aber nicht, weil Schlucht und nix Empfang hier. Kein Netz. Umdrehen geht auch nicht, weil zu eng. Genervt fügt er sich seinem Schicksal, was bleibt ihm auch sonst zu tun? Wir schauen den Aufräumarbeiten interessiert zu und warten. Das gröbste ist nun weg, mit den Rennrädern können wir jetzt passieren. Die Autofahrer brauchen noch ein wenig Geduld. Der Lieferwagenfahrer auch, aber der geduldigste scheint er nicht zu sein. Wenig später fährt er mit hohem Tempo an uns vorbei. Ob er seinen Termin halten kann?

Wir werden von unserem Plan abweichen müssen, der lange Aufstieg zum Monte Grappa ist heute bei Tageslicht nicht mehr zu schaffen. Naja, der Aufstieg schon, aber die Abfahrt? Das wird zeitlich den Rahmen sprengen. Wir sind ja noch nicht einmal auf dem Croce ´d Aune haben Tullio Campagnolo gehuldigt. Zumindest ich habe das ja vor. Mit Boden küssen und allem drum und dran. Sogar ein unbenutztes Stück Campagnolo-Elffach-Kette habe ich mit, ich will das anstelle eines Kranzes dort niederlegen. Es handelt sich um immerhin fünf Kettenglieder, die beim Ablängen übrig geblieben sind. Mehr kann ich ja auch gar nicht transportieren.

Wir kommen zur SR 50, die hier stark befahren ist und zum Passo Rolle führt. Fünf Kilometer bleibt uns keine andere Wahl, wir müssen auf die SR 50. Landschaftlich weiterhin beeindruckend, entlang dem Fiume Cismon, erreichen wir bei Gorna die Abzweigung zum Croce ´d Aune. Über Soframonte werden wir den Pass der Huldigung erreichen. Das lässt sich zunächst auch gut an, bis dann in Aune, dem Namensgeber des Croce, die Steigung vehement zunimmt, gefühlte 17, berechnete 15 Prozent weist die Ortsdurchfahrt auf. Und ganz ehrlich, Aune ist klein, aber verdammt lang! Das Passschild ist in Sicht, der Sohn auch. Wie es sich gehört wartet er hier und nutzt die Zeit für ein Feintuning an seiner Satteleinstellung. Ein Stück weiter oben ist es dann endlich erreicht! DER Ort für alle Campagnolo-Jünger, Tullios Denkmal. Stillheimlich, um nicht in einem Moment der Andacht von Paparazzis gestört zu werden, lege ich mein Stück Kette nieder, küsse den Boden und wende mich dann, innerlich unheimlich gestärkt, der weiteren Tourenplanung zu.

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit ist alles, was uns nach Pove del Grappa führt, zu lang. Es gilt nun den schnellsten Weg zu finden, nicht den kürzesten. Dank der sehr guten Karte von Velomap.org meint das Garmin, dass wir über Faller fahren sollten. Runter zum Torrente Cismon. So werden wir das machen, und wenn wir Glück haben treffen wir ja vielleicht sogar noch die Fallers. Das wär ja was. Achso, die sind vom Schwarzwald. Dann eben nicht. Zuerst geht es aber mal wieder den Berg hoch, macht aber nix, das geht ja schon längere Zeit so. Warum also umgewöhnen? Wäre ja auch keine Lösung. Also hoch, dann, auf zunächst übler Straße, runter. Vor Faller wird der Straßenzustand überraschend gut, um dann, aber erst nachdem wir uns was zu trinken besorgt haben, wieder echt übel zu werden. Hartgesotten wie wir sind macht uns das gar nichts aus, und irgendwann wird es dann auch wieder richtig Klasse mit dem Zustand der Straße.

Der Zustand der beiden Abfahrer ist auch fast neuwertig, die gnadenlos einsetzende Dämmerung und die darauf unaufhaltsam folgende Dunkelheit peitschen uns voran. Torrente Cismon, wir sind unten. Ganz in der Nähe sind wir heute schon gewesen, die Abzweigung zum Croce ´d Aune ist nur ein paar Hundert Meter entfernt. Das bringt uns jetzt aber nichts. Zum Glück können wir den bald folgenden langen Tunnel auf der alten Straße umfahren und werden dann bei Fonzaso auf eine ruhige Nebenstrecke geführt. Es dämmert, mein Rücklicht ist zum Glück dabei und tut nun gute Dienste. Wir sind am Lago Corlo, ein Stausee des Cismon, ewig lang und in eine grandiose Landschaft eingebettet.

Eine Brückensperrung stoppt uns. Keine Umleitung. Wir werden, ohne es zu wollen, zum Gesetzesbrecher. Wir vertrauen auf die Notstandsgesetze und überwinden die Baustelle. So kommen wir dann auf den Brenta-Radweg. Der führt uns lange Zeit auf einer abenteuerlich anmutenden Straße, nein, ein Wirtschaftsweg von gerade mal zwei Meter Breite ist das, verdammt weit nach unten. Aber laut GPS-Karte macht das schon Sinn. Macht es, wir kommen in Cismon del Grappa wieder auf eine normale Straße. Vastagna, heute früh waren wir schon einmal hier, passieren wir im Zweier-Teamzeitfahren-Style, Oliero, das Stauwehr über die Brenta. Geschafft.

| 163 Kilometer | 3950 Höhenmeter |