Rennradtouren

Faschinajoch, Bielerhöhe und Arlberg - eine Rucksacktour

Eine Rennradtour mit Rucksackgepäck von Herlazhofen zum Faschinajoch und zur Bieler Höhe. Über den Arlberg und den Gaichtpass zurück. Zwei Tage, 400 Kilometer und 7300 Höhenmeter.

Montafon

22. und 23. August 2007

Erster Tag: Herlazhofen-Galtür

Nach dem eher gemütlichen Rennrad-Wochenende in Freiburg habe ich Lust auf mehr. Zwei Tage habe ich noch Zeit, Möglichkeiten auf "mehr" gibt es zuhauf. Eine schöne Tour über den Klausenpass vielleicht? Oder das Timmelsjoch? Klar ist, dass es nicht mehr als 400 Kilometer sein sollen, lieber etwas weniger. Mehr ist in zwei Tagen in den Alpen nicht zu machen. Jedenfalls nicht mit gefülltem Rucksack.

Am Ende entscheide ich mich für eine Tour, die fast schon regional ist. Der am weitesten entfernte Punkt meiner Route ist - in der Luftlinie gemessen - gerade mal 150 Kilometer von meinem Startort bei Leutkirch entfernt. Nicht wirklich weit, aber auf dem Rad sind das schon fast 200 Kilometer. Immerhin. Etwa gleich weit ist es zurück, also passt das ganz ausgezeichnet! Die ganz großen Namen tauchen auf meiner Tour nicht auf, in Gletscherregionen werde ich auch nicht vorstoßen auf meinem Weg. Aber sehen werde ich welche.

Heute ist Mittwoch, um Halbneun mache ich mich mit dem Rennrad und dem wirklich nur allernötigstem Rucksackgepäck auf den Weg. Auf bekannten Straßen durchquere ich das Allgäu, kurz nach Oberstaufen überquere ich bei Aach die Grenze nach Österreich. Das Wetter ist prächtig, trotzdem lasse ich die Armlinge noch dran. Warm wird es erst später werden. Knapp 45 Kilometer habe ich in Aach hinter mir, es wird also erst gegen 10 Uhr sein, die Sonne versteckt sich noch hinter den Bergen.

Bis Hittisau kenne ich die Strecke gut, auf demselben Weg bin ich schon auf den Riedberpass gefahren. In Hittisau verlasse ich die bekannte Strecke und biege rechts ab nach Lingnau. Über Egg komme ich nach Andelsbuch und erreiche kurz danach die Bregenzerwald-Bundesstraße. In Bezau habe ich erst 70 Kilometer hinter mir, trotzdem lockt eine Bäckerei und ich gönne mir zwei Brezeln und eine winzig kleine Pause. Schließlich bin ich im Urlaub!

Bezau, Mellau und Schnepfau folgen, bei Kilometer 85 erreiche ich Au. Obwohl ich ja mitten in der Woche unterwegs bin, hält sich der Verkehr hier in erträglichen Grenzen. In Au verlasse ich die Bregenzerwald-Bundestraße und biege ab nach Damüls. Die Sonne steht nun hoch und wärmt ordentlich, gleich nach dem Ortsende mache ich an einer Wiese halt und ziehe Armlinge und Weste aus. Das dass eine verdammt gute Idee war merke ich gleich, nachdem ich wieder losgefahren bin. Die schmale, aber sehr gut ausgebaute Straße, steigt auf den folgenden zwei Kilometern mit 14 Prozent an, fast kurvenlos und ohne Kehren geht das so bis kurz vor Damüls. Zwölf Kilometer weiter und 700 Höhenmeter höher sehe ich den Damülser Kirchturm, nur gut das der Ort umfahren wird. Allerdings sehe ich auch, ein wenig später zwar, aber nicht unbedingt zur Beruhigung beitragend, die Hahnenkopfgalerie. Die führt schnurgerade hoch bis fast zum Faschinajoch, 1200 Meter lang ist das Ding und gut zwölf Prozent steil. Und kalt, so kalt, dass an manchen Stellen meterlange Eiszapfen hängen. Im August! Mir wird schnell klar, warum die Damülser Gegend als sehr schneesicher gilt! Nach der Galerie bin ich dann wieder in der Sonne, auf der Passhöhe gönne ich mir ein Apfelschorle und eine Leberknödelsuppe. Das alles im Freien, für ein paar Minuten sitze ich hier und genieße die angenehme Wärme.

Das Faschinajoch, 1486 Meter hoch, bildet die Grenze zwischen dem Bregenzer Wald und dem Großen Walsertal. Die nun folgende Abfahrt ist bis runter nach Raggal heftig steil abfallend, 15 Prozent sind das lässig. Vor Raggal taucht dann dummerweise ein heftiger Gegenanstieg auf, der richtig Körner kostet. Der Rest bis nach Bludenz geht dann fast durchgehend ebenso steil abwärts. Bludenz liegt auf 550 Meter. Raggal auf 1015 Metern. Also 500 Höhenmeter auf gerade mal sechs Kilometern, da geht es teilweise heftigst bergab. Also hochfahren wollte ich das von dieser Seite her eher nicht. Jedenfalls nicht mit Gepäck. Aber die Abfahrt ist schnell und macht auf der sehr guten Straße mächtig Laune.

Nun bin ich in Bludenz, mit 14.000 Einwohnern nun nicht gerade eine Großstadt. Aber nur nach unseren Maßstäben. Im Alpenraum ist das dann schon eine Art von Großstadt. Aber egal, jedenfalls herrscht hier das eher für richtig große Städte übliche Verkehrsgewimmel, die Autobahn und eine Fernverkehrsstraße locken den großen Verkehr wie ein Magnet an. Mit dem Rennrad da durchzukommen ist nicht einfach. Aber ich habe mir einen geradezu genialen Durchfahrtsplan ausgedacht. So komme ich ziemlich elegant an der Hauptverkehrsader vorbei. Na gut, einmal musste ich nach dem Weg fragen. Aber ich war auf dem richtigen Weg und wurde in meinem Umfahrungsplan nur von zwei sehr freundlichen Bludenzern bestätigt.

So komme ich relativ stressfrei auf die Straße, die mich über Schruns und Gaschurn nach Partenen bringt. Partenen liegt auf 1051 Metern, es ist verdammt spät, 18 Uhr ist es schon. Vor meinem Tagesziel in Galtür liegt noch die Silvretta-Hochalpenstraße. Mit ihren 30 Kehren sicher eine der schönsten Pass-Straßen der Alpen. Zwar sehr steil, teilweise 14 Prozent, aber dennoch irgendwie angenehm zu fahren. Außer mir ist hier niemand mehr unterwegs, ein komisches Gefühl ist das schon. Zumal einige Stellen der Straße schon in der Dämmerung liegen. Nur Kühe treiben sich noch auf der Straße rum und wundern sich wohl ein wenig über diesen einsam daherkommenden Menschen auf seinem Zweirad.

Irgendwann wird es flacher und der Vermuntstausee auf 1743 Meter taucht auf.

Sivretta-Hochalpenstrasse

Es wird kalt, nur noch ein paar Fotos, dann schnell weiter. Ich bin noch nicht ganz oben, weiß aber, dass es nicht mehr sehr weit ist bis zur Bielerhöhe. Als ich dann endlich ganz oben angekommen bin, bin ich heilfroh. Vor mir sehe ich den Piz Buin (3312 Meter) und die Dreiländerspitze (3197 Meter), dazwischen liegen Vermuntgletscher und Ochsentaler-Gletscher. Schade, dass die Zeit für eine Pause hier oben nicht mehr reicht. Gerne wäre ich hier noch eine Weile geblieben.

Nur noch wenige Kilometer sind es bis Galtür, meinem Tagesziel im Paznauntal, und die gehen bergab. Es ist schon fast dunkel inzwischen und eiskalt. Ich denke, dass ich mir die Zeit wegen der wenigen Kilometer, die ich noch vor mir habe, sparen kann und lasse die warmen Sachen im Rucksack. Aber es wird nun echt eisigkalt, nur wenige Hundert Meter vor Galtür friere ich dermaßen, dass ich anhalte und mir Beinlinge und Winterhandschuhe anziehe, darüber noch die Windjacke. Hätte ich besser gleich oben gemacht. Völlig durchgefroren komme ich in Galtür an. Zum Glück finde ich im Hotel Alpina gleich eine Unterkunft und kann heiß duschen. Und danach gut essen und verdammt gut schlafen.

| 190 Kilometer | 3900 Höhenmeter |


Zweiter Tag:

Von Galtür über den Arlbergpass und den Flexenpass zum Hochtannberg. Weiter durch das Lechtal und über den Gaichtpass und den Jochpass nach Sonthofen. Über das Stixner Joch nach Missen.

Nach einem sehr guten, reichhaltigem Frühstück im warmen Frühstücksraum des Hotels Alpina packe ich meine höchstens sieben Sachen zusammen und mache mich auf den Weg. Es ist gegen Halbzehn Uhr, draußen ist es bitterkalt. Aber trocken. Mehr erwarte ich ja gar nicht, aber für die nun folgende Abfahrt hinunter bis fast nach Landeck ziehe ich alles an, was wärmt. Überschuhe, wärmende Handschuhe, eben alles, was der Rucksack preisgibt.

Galtür liegt auf 1584 Meter, das Ende der Abfahrt ist 32 Kilometer und gut 700 Höhenmeter weiter unten. Eine wärmere Jacke wäre jetzt gut, die dünne Windjacke ist für solche Temperaturen nicht ganz das Richtige. In Ischgl, nach gerade mal 10 Kilometern Fahrt, mache ich an einer Tankstelle einen Zwischenstopp und fülle meine Flaschen. Wer weiß, wann die nächste Gelegenheit dazu kommt?

Der blaue Himmel lässt Sonnenschein erwarten. Lange kann es nicht mehr dauern, bis die ersten wärmenden Strahlen in das enge, von der Verwall- und der Samnaungruppe eingekesselte Paznauntal vordringen werden. Aber trotz der Kälte ist die Fahrt hinunter fantastisch, immer der Trisanna folgend führt mich die Straße weiter. Wann immer es geht, sehe ich diesem wilden Fluss zu. Wild und schäumend zumeist, stürzt sie sich ungebremst ins Tal hinunter. Fast wie ich, nur muss ich immer wieder kleinere Steigungen bewältigen, kalte Lawinengalerien durchfahren und ab und zu auch fast dunkle Tunnels. Am Ende des Tals, bei der Trisannabrücke, vereinigt sie sich mit der Rosanna und wird zur Sanna. Nur wenige Kilometer legen die beiden Flüsse gemeinsam zurück, dann vereinigen sie sich bei Landeck mit dem Inn. Der nimmt sie mit auf seine lange Reise.

Ich fahre in Pians, nachdem ich die warmen Klamotten endlich wieder Rucksack verstaut habe, nach Westen, dem Arlberg zu. Nur wenige Kilometer muss ich auf der Bundesstraße fahren, bis ich in Pardöll auf eine wenig befahrene Nebenstrecke ausweiche. Flussaufwärts fahre ich der Rosanna folgend durch das Stanzer Tal nach Pettneu um schließlich St. Anton am Arlberg zu erreichen. Hier beginnt dann gleich am Ortsende der wirklich harte Teil der Arlbergstraße. Steil, dreizehn Prozent erreicht die Steigung, geht es fast schnurgerade nach oben. Nur wenige Kurven und Kehren gibt es, kein schöner Pass. Aber die Aussicht entschädigt mal wieder für die Quälerei. Weiter oben wird es dann endlich flacher, ein kurzer Tunnel noch und ich bin in St. Christoph a. Arlberg.

Flexenpass

Die Arlberg-Passhöhe befindet sich unmittelbar nach dem Ortsende von St. Christoph auf 1793 Meter. Hier ist alles für den ganz großen Run gerüstet, riesige Flächen sind als Parkplätze ausgewiesen, zahllose Busse und andere Fahrzeuge können hier abgestellt werden. Restaurants, Souvenirläden, alles gibt es hier. Im Winter - die Arlbergregion ist ein weithin bekanntes Skigebiet - geht es hier wahrscheinlich ziemlich ab. Aber jetzt, im August, ist hier nicht viel los. Dem allem entfliehe ich, ein Stückchen weiter nur ist es ruhiger und ich gönne mir eine kurze Pause. Eigentlich - ich weiß es - sollte ich nun irgendetwas richtiges Essen. Die einzige Möglichkeit wäre, hier auf der Passhöhe einzukehren. Dazu habe ich aber weder Zeit noch Lust, also bleiben mir nur die restlichen Riegel. Na ja, so richtig schmecken tun die ja nicht. Es wird Zeit, dass ich mich um Nachschub bemühe. Aber auch, dass ich weiter komme, es ist schon nach 12 Uhr und ich habe noch 150 Kilometer vor mir.

Den Arlbergpass fahre ich nur drei Kilometer abwärts in Richtung Klostertal, die aber rasend schnell. Kurvenlos fällt die Straße mit dreizehn Prozent Gefälle nach unten, vor der Abzweigung nach Lech und Warth darf kräftig abgebremst werden. Hier beginnt gleich der Anstieg zum Flexenpass.

In den nach oben führenden Galerien wird gerade gebaut und nur eine Fahrspur kann genutzt werden. Mir ist es nicht unrecht, die Ampel steht auf Rot und eine weitere kleine Pause wird mir quasi aufgezwängt. Bald habe ich und die inzwischen etwas größer gewordene Fahrzeugschlange grünes Licht und es geht weiter. Die Ampelregelung bringt für mich einen großen Vorteil, nachdem mich alle überholt haben, gehört die Straße mir ganz alleine. Auf beiden Seiten steht die Ampel nun auf Rot, erst nach den langen Galerien kommen mir die ersten Fahrzeuge entgegen. So könnte das eigentlich immer sein. Die Passhöhe auf 1773 Meter ist schnell und stressfrei erreicht, der weitere Weg bis nach Warth am Hochtannbergpass ist trotz einiger Gegenanstiege nicht besonders anstrengend.

Nur das Gewicht des Gepäcks auf dem Rücken macht mir langsam zu schaffen. Immer öfter muss ich aus dem Sattel, um Rücken und Gesäß etwas zu entlasten. Keine gute Lösung, das Gepäck im Rucksack zu transportieren. Das nächste Mal werde ich das auf eine andere Art lösen, so jedenfalls geht das nicht wirklich gut. Aber ich hätte es eigentlich wissen müssen, schließlich ist das nicht meine erste Mehrtages-Tour, bei der ich das Gepäck im Rucksack mitschleppe. Beim nächsten Mal wird alles anders …!

Gleich nach dem Ortsende von Warth geht es auf der Lechtal-Bundesstraße lange bergab, dem Lechtal entgegen. Also wieder eine "Flussfahrt", genauso faszinierend wie schon zuvor meine Fahrt entlang von Trisanna und Rosanna. Steeg und Holzgau sind schnell passiert, bei Elmen kann ich, wenn ich nach rechts blicke, die erste steile Rampe der Hahntennjoch-Straße sehen. Nun bin ich doch froh, dass ich da heute nicht hoch muss. Bei der Planung meiner Tour hatte ich das zuerst noch mit eingeplant, dann aber wegen der danach anstehenden Passage über den viel befahrenen Fernpass verworfen. Gute Entscheidung!

Die Fahrt durch das breite Lechtal ist ein Vergnügen, auch wenn der Verkehr nun stärker ist als auf den vergangenen Kilometern. Ein weiteres, aber noch nicht letztes Hindernis, das sich mir in den Weg stellt, ist der unscheinbare Gaichtpass. In Weißenbach a. Lech verlasse ich die Lechtal-Bundesstraße und komme über den Gaichtpass ins Tannheimer-Tal. Schwer zu fahren ist der Gaichtpass wirklich nicht, gerade mal dreihundert Höhenmeter sind mit moderater Steigung zu bewältigen. Aber heute ist er ein ziemlicher Brocken, ernste Sitzprobleme plagen mich. Nie wieder mit Rucksack!

Nach Schattwald, am Ende des Tannheimer-Tals, ist die nächste längere Steigung zu nehmen. Normalerweise kein Problem, heute sieht das aber ganz anders aus. Nicht nur die Sitzprobleme machen mir zu schaffen, nun rächt es sich, dass ich mal wieder viel zu wenig gegessen und getrunken habe! Inzwischen ist es dicht bewölkt, es sieht nach Regen aus. Am Ortsausgang von Oberjoch fängt es an zu regnen, schade. Die wirklich klasse Abfahrt auf der Jochstraße muss ich nun mit erhöhter Vorsicht angehen.

Um der wirklich schrecklichen Sonthofener Ortdurchfahrt zu entkommen, nehme ich den beschwerlichen Umweg über Tiefenbach nach Burgberg noch auf mich. So komme ich über Blaichach nach Immenstadt, der Regen macht mir schon lange nichts mehr aus. Aber die Kräfte schwinden zusehends.

Alpsee

Die zweihundertfünfzig Höhenmeter zum Stixner Joch werden zur wirklichen Qual. Langsam wird es zudem auch noch dunkel. Nach der Abfahrt vom Stixner stoppe ich in Missen, stelle mich in einem Buswartehäusle erst einmal unter. Und kämpfe mit dem lauthals bellendem inneren Schweinehund. Ich lasse ihm heute den Sieg, führe ein Telefongespräch mit dem Engele, das sich dann auf den Weg macht, um mich aufzunehmen. Bis zur "Tanke" in Kleinweilerhofen fahre ich noch, hier ist das eigentlich ungeplante Ende meiner kleinen Reise. Mit klammen Fingern schnell das Hinterrad ausbauen, alles in den Kofferraum packen und schnell ab, ins Warme. Trotz diesem Ende bin ich vollauf zufrieden, es ist eine wunderschöne Tour gewesen. Und wieder wird alles, wie immer, gut!

| 205 Kilometer | 3400 Höhenmeter |


| Gesamtstrecke: 400 Kilometer | 7300 Höhenmeter | Fahrzeit: 19 Stunden |

Fotos