Rennradtouren

Das Jura Brevet - 600 Kilometer und am Ende nen "Burger"

Meine erste richtige Langstreckenfahrt (so sehe ich die Distanz) von Freiburg durch das Doubs-Tal im Französischen Jura und durch das Elsaß zurück. Mit ARA-Breisgau 600 Kilometer "Rund um Freiburg".

Grenze

5.-6. September 2009

600 Kilometer am Stück, nur unterbrochen von kleinen Pausen und vielleicht einer winzigen Mütze Schlaf an einem geschützten Ort. Soll ich´s wirklich machen oder lass ich´s lieber sein?

Nach dem Telefonat mit Walter, einem der Initiatoren dieser Tour, schlafe ich erst mal über die Sache. Um dann am nächsten Tag meine Teilnahme zuzusagen. Manche Dinge müssen eben gemacht werden. Warum auch immer. Ich bin in guter Form, die 500 Kilometer Alpentour mit viel Gepäck (aber auch mit zwei Übernachtungen!) habe ich gut überstanden. Wäre ja gelacht, wenn da nicht auch 600 Kilometer in 30 Stunden oder so möglich wären. Die Wetteraussichten sind gut, also gab es keinen Grund nicht mitzufahren.

Vorderrad mit SON-Nabendynamo, ein ordentliches Licht, Lenkertasche und sogar eine Plane samt dünner Fleecedecke werden mir von Walter zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür noch mal!

Die PKW-Anreise nach Freiburg am Vorabend des "Events" ließ dann schon mal Zweifel an meiner Entscheidung aufkommen. Es regnet in Strömen, bei Titisee dann sogar extremer Hagel. Dann finde ich den Treffpunkt nicht, verfahre mich in Freiburg und werde, als hätte ich es nicht schon so schwer genug, geblitzt (inzwischen ist das "Beweisfoto" samt Bußgeldbescheid eingetroffen, 56 km/h, kostet immerhin 15 Euros!). Erst gegen 21 Uhr treffe ich dann am Campingplatz ein. Ein großer Teil der Teilnehmer sitzt hier schon in der Gaststätte. Bis auf Walter kenne ich hier niemanden, aber ich werde sehr freundlich in die Runde aufgenommen und fühle mich unter den Randonneuren schnell wohl. Draußen regnet es immer noch stark. Als wir uns auf den Weg nach Kirchzarten machen regnet es immer noch. Also Walters Rad auch noch in den kleinen Kofferraum meines Boliden eingeladen und ab. Wir müssen mein Rennrad noch präparieren, Vorderrad einbauen, Licht anbauen, Lenkertasche montieren, Plane und Decke unterm Sattel verstauen... Bis wir endlich ins Bett kommen ist es beinahe 24 Uhr.

Mitten in der Nacht wache ich auf und muss schleunigst auf die Toilette. Mein Magen rebelliert. Und wie! Das wiederholt sich noch einige male, von einer ruhigen Nacht und gutem Schlaf kann also keine Rede sein. Keine wirklich guten Voraussetzungen für meinen ersten "600er". Es regnet immer noch.

Um 6 Uhr gibt es ein schnelles Frühstück, mein Appetit hält sich in Grenzen, ich habe Bauchschmerzen. Ich kenne das nicht und frage mich, woher das kommen mag. Eine Antwort darauf finde ich nicht. Pünktlich um 7 Uhr sind wir am Campingplatz Hirzberg in Freiburg, es ist noch sehr kalt. Aber immerhin hat der Regen tatsächlich aufgehört. Hier gibt es noch einmal ein Frühstück, ich kann immer noch nichts essen und zwinge mir ein Brötchen rein. Ich, der sonst zum Frühstück alles und jede Menge essen kann! Ich vertraue auf meine Energy-Gels, von denen ich mir einige eingepackt habe. Dazu noch 4 belegte Brötchen, irgendwann werde ich schon was essen können!

Wie geplant starten wir pünktlich um 8 Uhr und machen uns durch Freiburg hindurch auf den Weg nach Tiengen. Die Beinlinge tun gut, es ist immer noch kühl. Mir geht es gar nicht gut, mein Bauch macht immer noch Kummer. Irgendwo, noch in Deutschland, dann ein Platten im Hinterrad. Trotz nagelneuem Reifen. Das fängt ja gut an, denke ich mir. Bei Neuenburg überqueren wir den Rhein, wir sind nun in Frankreich. Das letzte mal, als ich in Frankreich war, bin ich 18 Jahre alt gewesen und war mit Interrail unterwegs. Verdammt lange her.

Endlich liegt die für Radfahrer eher langweilige Rheinebene hinter uns und wir sind im Sundgau, hier fangen die ersten Hügel an. Kurz nach Pfetterhouse bei Kilometer 100 verlassen wir Frankreich und sind in der Schweiz. Schön, dass auch die Eidgenossen ihre Grenzen inzwischen weitgehenst geöffnet haben. Keine Zöllner, nichts. In Porrentruy, etwa 108 Kilometer liegen nun erst hinter uns, machen wir eine kleine Pause beim Coop. Eine willkommene Gelegenheit für mich endlich eine Toilette aufzusuchen.

Nach Essen ist mir gar nicht zumute. Ein halbes, trockenes Brötchen bringe ich unter Zwang runter. Nach dieser Pause erreichen wir bald das Doubs-Tal, ich bin von dieser Landschaft richtig begeistert und bin ständig am Erkunden. Das kostet mich immer wieder einen Sprint, um zur Gruppe aufzufahren. Ich werde hierher ganz sicher noch einmal kommen. Dann aber mit Zelt und Zeit. Es gibt überall Campingplätze, es wird eine Genuss-Tour werden!

Es ist nun richtig warm geworden, seit Porrentruy sind Armlinge und Beinlinge in der Lenkertasche verschwunden. Nach einigen Höhenmetern erreichen wir bei Kilometer 200 die schon etwas größere Stadt (37.000 Einwohner) La Chaux-des-Fonds auf knapp 1000 Meter Höhe. Hier ist heute ein Stadtfest, ein Wahnsinnsangebot an Leckereien entgeht uns. Aber immerhin gibt es am Bahnhof eine Dose Coke. Soll ja helfen bei Magenverstimmungen. Tut es aber nicht.

Auf einem Autobahnzubringer verlassen wir La Chaux-des Fonds und nähern uns unserem Wendepunkt Champagnole bei Kilometer 297.

Erstaunlicherweise geht es mir trotz der immer noch deutlich spürbaren Magenprobleme gut. Jedenfalls bin ich nicht völlig Kraftlos, auch die Motivation passt. Über 3000 Höhenmeter haben wir inzwischen hinter uns. Dazwischen liegt, bei Kilometer 253, Pontarlier. Wir warten auf Tobitsch, der mit Singlespeed-Rad unterwegs ist. Inzwischen ist es dunkel geworden, nur gut das Vollmond ist. Mein Vorderrad hat verdammt wenig Luft. Mist. Nun fahre ich schon jahrelang ohne Plattfuß durch die Gegend, und ausgerechnet bei dieser Tour muss es mich so richtig erwischen. Urban fährt los, um den Rest der Gruppe zu finden. Nachdem mein Vorderrad einen neuen (den letzten!) Schlauch bekommen hat, machen wir uns auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt, irgendwo am Stadttor. Urban bleibt verschollen. In einer Kneipe, eher ein "Schnellimbiss", treffen wir dann auf Walter und den Rest unserer 7-Köpfigen Truppe. Nur Urban fehlt. Auffallend ist die überaus freundliche Aufnahme von uns, die Franzosen sind wirklich sehr Gastfreundlich!

Nach einer tatsächlich längeren Pause machen wir uns wieder auf den Weg und treffen auf Urban, der genau wusste, dass wir hier, wo er wartete, vorbeikommen müssen. Schließlich hat er die Strecke geplant und auch abgefahren.

Abfahrt im Jura

Auf einsamen Wegen erreichen wir bald Chamagnole. Ab hier geht es bis Salines les Bains bei Kilometer 320 endlich länger bergab. Es ist eiskalt, 4 Grad nur zeigt der Tacho an. In einer vielbesuchten Kneipe wärmen wir uns auf, auch hier werden wir herzlich begrüßt und, soweit ich das verstanden habe, nach unserem "woher und wohin" gefragt. Nach einigen Kaffees und einer Cola brechen wir wieder auf, ein "Bon Courage" der Kneipenbesucher nehmen wir mit auf unseren Weg.

Bei Kilometer 355 passieren wir Ornans. Inzwischen überfällt mich immer wieder die Müdigkeit. Aber bei dieser Kälte einfach anhalten und etwas schlafen ist keine gute Idee. In Gonsans, fast 400 Kilometer haben wir nun hinter uns, beschließen wir, einen geschützten Platz zu suchen und uns etwas Schlaf zu gönnen. Wir finden aber nichts geeignetes. Es ist 5 Uhr, gerade beginnt in der örtlichen Boulangerie der Bäcker seine Arbeit! In seinem Verkaufsraum setzten wir uns auf den Boden, essen ofenfrische, wirklich leckere Croissants und wärmen uns etwas auf.

Die Abfahrt der "Reisegruppe" verpasse ich, als ich noch am Handschuhe anziehen bin fahren plötzlich alle los. Ich kurz danach hinterher, kann aber keine Lichter sehen und bin mir nicht sicher, ob ich in die richtige Richtung fahre. Anhalten, Streckenplan studieren und weiter. Die letzten 200 Kilometer werde ich wohl auf mich alleine gestellt sein. Gut, dass ich mein GPS mitgenommen habe und die Strecke gespeichert ist.

Langsam entsteht aus der Vollmondnacht ein neuer Tag und ich erlebe einen imposanten Sonnenaufgang. Die Müdigkeit holt mich nun ein, immer wieder fallen mir die Augen zu, sobald ich einen Platz an der Sonne finde will ich mich etwas hinlegen. Eine Stunde kann das höchstens noch dauern, denke ich mir. Plötzlich liege ich in der Straßenböschung. Zum Glück fällt die Landung ins hohe Gras weich aus, bis auf meine nun nassen Klamotten passiert nichts.

An einem Parkplatz entdecke ich einige Bänke, ein guter Platz zum ausruhen. Sogar die ersten Sonnenstrahlen dringen hierher durch. Nur schlafen kann ich nicht, seit meinem Sturz ins Gras ist die Müdigkeit erst einmal weg. So fahre ich weiter, erreiche mit einem kleinen "Verfahrer" Baume les Dames und orientiere mich nach Rougemont. Dort verlasse ich die Route und fahre über Villersexel nach Lure. Hier komme ich wieder auf die geplante Route. Meinen Umweg habe ich so fast wieder aufgeholt. Der Verkehr hier auf der N19 nimmt ständig zu. Kurz vor Champagney mache ich an einem See eine Pause. Es ist nun warm geworden, das Gras ist trocken und ich lege mich eine Weile ans Ufer und schlafe tatsächlich ein. Nicht lange, aber immerhin!

Vorbei an den südlichen Ausläufern der Vogesen erreiche ich bei Kilometer 520 Guewenheim. Eine längere Steigung noch, dann wird die Strecke flach. Meine Knie fangen an zu schmerzen. Endlos lang kommen mir die letzten Kilometer vor. Meine Flaschen sind leer, ich finde kein Gasthaus, das geöffnet hat und vertröste mich immer wieder auf den nächsten Ort. Irgendwann bin ich in Neuf-Brisach, kurz vor der Grenze nach Deutschland. Mein linkes Knie tut mittlerweile richtig weh.

In Breisach gibt es bei Mc. Donalds einen halben Liter Coke und die ersten Hamburger seit mehr als 20 Jahren. Wegen meiner Schmerzen beschließe ich, die letzten gut 20 Kilometer bis Freiburg mit dem Zug zurückzulegen. 589 Kilometer zeigt der Tacho, 6100 Höhenmeter und eine reine Fahrzeit von 26:19 Minuten. Das sollte reichen!



| 589 Kilometer | 6100 Höhenmeter |