Rennradtouren in Ligurien 2008

Zum Colle Caprauna und Colle di Nava

Zum Colle Caprauna - dem "Dach" meiner ligurischen Touren. Eine fantastische Rennradtour auf einsamen Straßen - inclusive einer tollen Abfahrt vom Colle di Nava! Alles vom allerfeinsten!

Caprauna

Montag, 28. Juli

Schon frühmorgens ist es so warm, dass wir auf unserer Terrasse frühstücken können. Der Bäcker hatte wieder leckere Sachen im Angebot, für italienische Verhältnisse eher ungewöhnlich, gibt es sogar „Integrale“, also Vollkornprodukte. Und mit Pudding gefüllte Süße „Stückle“, die bei allen sehr gut ankommen. Ich gönne mir noch etwas Salami Piemontese, die von mir jeden Feinschmeckerpreis bekommen würde. Für mich ist ein ausgiebiges Frühstück heute besonders wichtig, die heutige Tour wird meine „Königsetappe“ werden.

Es ist wie verhext, der Weg heraus aus Albenga ist so schwer zu finden, dass ich fast schon am verzweifeln bin. Um nicht auf die Schnellstraße zu kommen, muss eine Route gefunden werden, die mich gefahrlos nach Bastia bringt. Nach einigen Fehlversuchen gelingt mir das, in Bastia fahre ich auf die SS582. Die ersten Kilometer auf dieser Straße sind äußerst unangenehm, dichter LKW-Verkehr herrscht hier. Nach einigen Kilometern erreiche ich Martinetto (72 Meter), hier verlasse ich endlich die SS582 und fahre hinein ins Val Pennavaire. Wow!

Grüne, bewaldete Berge, Kastanien und Olivenbäume prägen das Bild. Dazu der Geruch von Rosmarin und Thymian, direkt an der schmalen Straße wächst das hier. Der Rosmarin erreicht fast schon Buschgröße, auch der Thymian hat rekordverdächtige Ausmaße. Bis Nasino (335 Meter) sind es fast zwanzig Kilometer, bis dahin ist das Tal fast unbesiedelt. Wieder habe ich das schöne Sträßlein für mich, die sanfte Steigung und die herrliche Landschaft sind perfekt dazu geeignet, die Seele mal so richtig baumeln und die Gedanken fliegen zu lassen. Und dazu wieder diese himmlische Ruhe!

Ab Nasino steigt die Straße kräftig an, mit zwei Kehren schwingt sie sich hoch nach Alto auf 652 Meter. Es ist brütend heiß, das enge Tal wirkt wie ein Backofen. Alto ist zwar bewohnt, aber ich bin um die Mittagszeit hier und alles wirkt wie verlassen. Ein alter Waschplatz bringt die dringend nötige Abkühlung. Kaltes, klares Wasser ist in dem steinernen Trog, aus einem Rohr fließt Wasser nach. Meine Trinkflaschen werden befüllt, Kopf und Arme werden eingetaucht ins kühle Nass. Hey, das Leben ist echt schön! Wie nötig diese Abkühlung war!

Ich bin nun schon im Piemont in der Provinz Cuneo. In Cuneo startet alljährlich der bekannte „Grandfondo Fausto Coppi“, eine RTF, die bis auf den Col de la Bonette führt. Mein Ziel ist Caprauna, eine Siedlung mit fünfzig Einwohnern. Bis dahin sind es aber noch einige Kilometer, mit Steigungswerten zwischen acht und zwölf Prozent und Temperaturen um die 35 Grad wird es anstrengend. Auf 900 Metern fängt es an zu regnen, dicke Tropfen fallen vom Himmel und verdunsten in dem Moment, da sie die Straße erreichen. Mir ist´s recht so, Hauptsache die Straße bleibt trocken!

Im Winter ist hier oben ein Skigebiet, im Sommer bin nur ich hier. Jedenfalls sieht es so aus. Sicher sind auch einige Wanderer unterwegs, die Gegend ist von einem großen Wanderwegnetz durchzogen, auch der Fernwanderweg „Via Alpina“ führt hier durch. Kein Wunder bei der Schönheit dieser Landschaft!

Der Regen hat so plötzlich, wie er angefangen hat, wieder aufgehört. Endlich bin ich auf der Passhöhe, 1375 Meter hoch ist der Colle Caprauna. Die Abfahrt hinunter nach Prale gestaltet sich trotz des makellosen Zustandes der Straße schwierig. Der Regen hat jede Menge Sand auf die Straße gespült, zusammen mit den Hinterlassenschaften einer Viehherde ergibt das eine schmierige Mischung. Also gut aufpassen! Weiter unten kann ich es dann laufen lassen, eine wirklich tolle Abfahrt!

Passhöhe

In Ponte di Nava (816 Meter) entdecke ich einen kleinen Laden. Genau der richtige Zeitpunkt, um die Flaschen zu füllen und eine Kleinigkeit zum Essen zu besorgen. Als ich den Laden betrete kommt mir ein Duft entgegen, der mir das Wasser im Mund zusammen laufen lässt. Pilze - Kistenweise, Wurst und Käse, alle Arten von Obst, frisch gebackenes Brot. Alles unverpackt! All das zusammen ergibt diesen äußerst schmackhaften Duft. Ein Jammer, ich hätte Fotos machen sollen. Das würde zwar den Duft nicht wiedergeben können, aber der Anblick dieser Leckereien alleine …! Ich kaufe mir drei Pfirsiche – seither kann ich über die bei uns angebotenen nur noch müde lächeln - , so schmeckt das also in Echt! Dazu noch reichlich Wasser, schon geht es weiter. Nach der Überquerung des Fiume Tánaro bin ich wieder in Ligurien. Bis Colle di Nava (934 Meter) ist es nicht weit, aber gut einhundert Höhenmeter liegen dazwischen. Hier fängt es wieder an zu regnen, dasselbe Schauspiel wie schon bei Alto wiederholt sich. Es regnet zwar, aber die Straße bleibt trocken! Finde ich echt gut!

Von nun an geht’s Bergab! Und zwar bis nach Pieve di Teco, das auf 240 Meter liegt. Die Straße ist breit und für eine High-Speed-Abfahrt geeignet. Schade das immer wieder LKW´s meine Fahrt bremsen.

In Pieve di Teco muss ich aufpassen, die richtige Route darf ich hier auf gar keinen Fall verfehlen. In alle Richtungen zweigen hier die Straßen ab, ich muss Richtung Vessalico. Klar finde ich den richtigen Weg, aber vor kurz vor Vessalico halte ich an. Dieselbe Bundesstraße, die ich schon gestern gefahren bin, liegt vor mir. Nein, nicht schon wieder!

Also umdisponieren. Gut, dass ich mir beim Mercatone auf der Feriensiedlung eine ordentliche Karte besorgt habe! Kompass Karte Nr. 641, Alassio – Imperia. Die deckt den allergrößten Teil meiner geplanten Touren gut ab. Also guckst du mal. Der einzig vernünftige Weg führt offensichtlich über Siglioli, der Nachteil dabei ist, dass ich 400 Höhenmeter zusätzlich zu absolvieren habe. Macht nichts, wird schon gehen. Die Straße nach Siglioli ist mehr ein asphaltierter Gehweg, aber gut zu fahren. Steil ist es schon, immer im zweistelligen Steigungsbereich klettere ich im schattigen Wald nach oben. Siglioli liegt ziemlich exponiert an einem Hang und wird am Dorfrand umfahren. Die Straße wird nun noch schmaler, langsam kommen mir Bedenken. Ob das wirklich noch weiter geht? Es geht, die winzige Straße bekommt immer mehr Schottercharakter. Plötzlich bin ich in Cartari auf 634 Meter, ab hier gibt es wieder einen sehr guten, nagelneuen Straßenbelag. Mir fällt quasi ein kleiner Stein vom Herzen.

Was nun folgt fällt unter die Rubrik „Traumstraßen“! Sofern man ein zweieinhalb Meter breites Asphaltband als Straße bezeichnen darf. Von Cartari komme ich, immer auf dem Grat fahrend, wieder zum Colle San Bartolomeo, wo ich gestern schon war. Von da aus erreiche

ich den Passo del Ginestro, auch hier war ich gestern schon. Die Abfahrt nach Testico läßt das Herz höher schlagen, es ist einfach nur Klasse. Testico liegt auf 470 Meter, nun wird die Strecke geradezu sensationell! Immer auf Höhen zwischen 470 und 350 Metern verläuft „mein“ schwarzes Band auf einem Kamm Richtung Alassio. Spaß pur ist das. Und wieder kaum Verkehr, so soll es sein! Dazu ein einmaliger Landschaftsgenuss, immer wieder zeigt sich das Mare Ligure auf der rechten Seite der Piste, links sind die bewaldeten, in sattem Grün leuchteten Hügel der ligurischen Alpenausläufer zu sehen. Nur schön! In dieser Hochstimmung fliege ich förmlich Alassio entgegen. Hier sind eindeutig mehr Rennradfahrer als Autos unterwegs, immer wieder ist ein freundliches „Salve“ zu erwidern.

Kurz vor Alassio biege ich ab Richtung Caso, das kurz vor Albenga liegt. Von hier aus, ich bin nun auf 250 Metern, kann ich unser „Domizil“ sehen. Die Mädels sind bestimmt noch unten am Strand bei Alassio und genießen auf ihre Art diesen Urlaub.

Etliche Kehren weiter unten hat mein Ausflug dann bald ein Ende, nur noch den Anstieg zur Feriensiedlung, dann habe ich fertig. Für heute. Eine wirklich unvergessliche Tour liegt hinter mir. Und ein schöner Abend vor mir. Mit gutem Essen, leckerem Rotwein und dem Schatzi. Solche Tage sind einfach die allerbesten.



| 120 Kilometer | 2400 Höhenmeter |

Fotos