Rennradtouren im Hinterland der Adria

Die Königsetappe

Den verregneten Ostermontag habe ich mit Nichtstun verbracht. Mal rumliegen, einfach ausruhen, zwischendurch den Fernsehapparat einschalten. Dösen. Lesen. Jede unnötige Bewegung vermeiden. Stimmt nicht ganz, auf einen leckeren Cappuccino haben wir das Hotel dann doch noch verlassen. Die für heute geplante Route nochmal auf der Karte studieren zwischendurch noch. Zuerst nach Bertinoro, weiter nach Ranchio und über Sarsina nach Sant Agata in Feltria nach Perticara. Dann über Montetiffi - ein weiterer "Nove Colli" Anstieg - zurück nach Torre Pedrera. So oder so ähnlich werden wir heute fahren

Rocca

Dienstag, 6. April 2010

Also ging es ziemlich ausgeruht nach dem Frühstück auf zur "Königsetappe". Königsetappe, weil die geplante Tour nach Ranchio statt der geplanten 140 Kilometer am Vorabend geändert wurde. Die "Abkürzung" über Bertinoro sollte uns den komplizierten Weg um Cesena herum erleichtern. So konnte auch eine üble Steigung, die auf der geplanten Route lag, umgangen werden. Auch recht. Wie viele Zusatzkilometer die Streckenänderung bringen würde, konnte nur geschätzt werden. Die einstimmige Meinung des Planungskomitees war jedenfalls, dass es nicht zu viele werden würden. Außerdem ist es bis kurz vor Bertinoro topfeben, schön zum einrollen.

Mit einer 14-köpfigen Gruppe sind wir um 9.30 Uhr in Torre Pedrera gestartet. Dank Jürgens guter Ortskenntnis haben wir die Abzweigung in Gatteo a Mare nicht verpasst, fast nicht zu sehen geht es hier von der Küstenstraße links weg. Auf die SP33. Darauf geht es dann ab Sala bei Kilometer 14 bis nach Pisignano bei Kilometer 27 schnurgerade, komplett flach und nicht gerade spannend, aber geschwätzig, dahin. Aber es läuft gut, trotz des heftigen Windes. Für Erheiterung in der Führungsgruppe sorgt kurz nach Pisignano der kleine Ort Matellica. Designermäßig bewanderte Scherzbolde haben das Ortsschild kunstvoll in "Metallica" umbenannt. Gut gemacht, mit Metallica-Logo. Im "Feld" wurde das wahrscheinlich nicht bemerkt, aber so ist das eben, wenn man sich im Windschatten aufhält. Pech gehabt.

In Paninghina überqueren wir die Via Emilia, ab hier ist es mit dem gemütlichen Rollen vorbei. Gut 200 Höhenmeter sind auf den folgenden drei Kilometern bis nach Bertinoro zu überwinden. Aber damit nicht genug, wir gönnen uns auch noch den Abstecher hoch zur Rocca (Stadtburg) des Ortes. Von hier oben haben wir eine prächtige Aussicht in die Poebene und zum Meer hin. Nur blöd, dass es hier auf ziemlich steilen Pflasterwegen hochgeht. Und auf denselben auch wieder runter. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Wissenswertes noch: Der Name Bertinoro wird auch auf den Ausspruch aus dem kaiserlichem Munde der Galla Placidia (die war seinerzeit, so um das Jahr 400, Regentin des weströmischen Reiches) zurückgeführt: „ber' ti in oro“(„man sollte dich aus goldenem Becher trinken“) soll sie gesagt haben, als man ihr den hier wachsenden vortrefflichen Wein, den Albana, in einem Keramikbecher reichte. Jetzt wisst ihr das auch. Mehr dazu, wen es interessiert, gibt es bei Wikipedia. Genug abgeschweift, zurück zum Radfahren.

Nach unserer kurzen Pause hier oben ziehen wir weiter, die folgenden Kilometer wird es abwärtsgehen. Kaum zwei Kilometer später kommt die Abzweigung nach Polenta, einem der "Nove Collis". Ich wäre hier gerne abgebogen, wegen der Unklarheit des Streckenverlaufs wurde dann aber beschlossen, die Direttissima ins Savio-Tal zu nehmen. Nach sechs Kilometern sind wir im Tal, auf 50 Meter Seehöhe. Auf einer nun stark befahrenen Straße kommen wir so schließlich nach Borello. Ab hier fahren wir auf der ursprünglich geplanten "Ranchio-Tour".

Dazu muss ich bemerken, dass mir bei der Planung dieser Tour die als "landschaftlich schöne Strecke", die bei San Romano vom direkten Weg nach Ranchio abzweigt, aufgefallen ist. Klar, dieser kleine Umweg muss sein! Das es dabei nicht gerade flach dahingeht, war mir klar. Schließlich gibt es Routenplaner und Höhenprofile. Nur blöd, dass dabei die Steigungswerte nicht immer ganz richtig präsentiert werden. Genauso verhält es sich mit der Fahrbahnbeschaffenheit.

Pause

Gleich nach dem Ortsende von San Romano steigt die Straße zwar steil, aber noch nicht im "quäldich" Level, an. Das ändert sich nach der Passage eines Gehöfts schlagartig, ein Schild weist auf eine achtzehnprozentige Steigung hin. Wird schon nicht so lange so steil sein, denke ich mir. Bei der ersten Kehre habe ich gestoppt, um Armlinge und alles Wärmende auszuziehen. Deswegen bin ich der letzte, der diese Steigung unter die Räder nimmt. Nach einer engen Kurve kommt dann die Stunde der Wahrheit. Wirklich übelst steil, die Angabe auf dem Schild war keineswegs übertrieben, geht es hoch. Kurvenlos, fast schon demoralisierend, zeigt sich der Anstieg. Weit oben sehe ich jemand schieben. Ups. Das wird mir ein fettes Lob der Mitfahrer einbringen. Gut, dass ich selbst ja auch da hoch muss. Es wird flacher, weit kann es bis ganz nach oben nicht mehr sein. Denkste. Es folgen noch mindestens gefühlte zehn böse Anstiege. Endlich, Pieve di Roschio ist erreicht.

Ich bin nun auch ganz oben. Eine Kneipe lädt zur Rast, die Kommentare zur Streckenplanung halten sich in Grenzen und sind voller Begeisterung, naja, fast, ob der nun ja wirklich tollen Landschaft, die Mann und Frau beim hochfahren in aller Ruhe genießen konnten. Es ist inzwischen angenehm warm geworden, alle sonnen sich vor der Bar auf kunststoffbespannten Stühlen. Wir sind inzwischen bei Kilometer 75 und beschließen über Sarsina und dann Sant Agata Feltria nach Perticara zu fahren. Also nochmals eine geringfügige Streckenänderung. Aber zunächst gilt es, Sarsina zu erreichen.

Das geht nur über Ranchio, das gut 300 Höhenmeter unter uns liegt. Die Karte zeigt hier eine ganz normale Straße an, der Weg nach Ranchio ist sogar ausgeschildert. Auf einer steil abfallenden, sehr schmalen Straße, geht es abwärts. Klasse Landschaft, kein Verkehr. Dann geht die Straße in einen Forstweg über. Schön platt gefahren, durchaus mit dem Rennrad zu machen. Finde ich und die meisten aus unserer Gruppe auch. Zurück zu fahren wäre ja auch keine Lösung. Also fahren wir weiter, mit 12-14 Prozent Steigung kein wirkliches Problem. Ab dem Scheitelpunkt der Straße sieht das dann etwas anders aus. Wie am Tremalzo irgendwie. Also schon eher grobschottrig, enge Kurven und einige Kehren kann man von hier oben erkennen. Aber auch das wird mit Humor genommen. Klasse Truppe! Die ersten Ankömmlinge am Scheitelpunkt warten auf die Nachzügler, dann geht´s abwärts.

Vorher wird noch - nicht ganz ohne Spott - gerschders-adventure-tours - gegründet. Na kommt, ihr wolltet es doch auch! Aber egal, alle kommen heil hier runter. Die allermeisten sogar mit einem Lachen im Gesicht. Es gibt Beweisfotos. Die letzten Kilometer nach Ranchio geht es abwärts, auf einer richtigen Straße.

Ranchio ist ein kleines Nest, von hier aus geht es gleich wieder hoch nach Sarsina. Über 300 Höhenmeter hoch, dann wieder genau so viele runter. Wir sind in Sarsina. Sarsina liegt ganz unten, auf 180 Metern. Der nächste Ort, Sant Agata in Feltria, liegt auf fast 800 Meter. Das geht ganz gut zu fahren, ab Sant Agata wird es dann aber mal wieder unangenehm steil. Mit einigen

Abfahrt

Kehren geht es hoch nach Perticara, das alle schon gut kennen. Dieser Streckenabschnitt liegt in Verantwortung von der hier ebenfalls neu gegründeten virtuellen Firma "Deibler Reisen". Spott sei Dank!

Der Rest ist schnell erzählt, von Perticara nach Montetiffi gibt es höchstens zwei üble Anstiege. Aber jede Menge neu erfundener "Werbesprüche" der inzwischen neu gegründeten Radreiseveranstalter. Was haben wir gelacht. Über Ponte Uso und Santarcangelo geht es dann mit dem Haaga-Express heimwärts.

Klar, dass diese Tour am Abend für reichlich Gesprächsstoff sorgte. Wir sollten eine Werbeagentur gründen. Für abenteuerliche Radtouren.

| 160 Kilometer | 2100 Höhenmeter |

Fotos