Rennradtouren im Hinterland der Adria

Nach San Marino und Carpegna

Die Tour nach Carpegna zählt hier in der Provinz Rimini zu den echten "Klassikern" und wird jedes Jahr von den meisten gefahren. Das hat gute Gründe, landschaftlich ist die Strecke ein Highlight, San Leo liegt auf dem Weg und ist immer einen kleinen Aufenthalt wert. Mit ca. 130 Kilometern, die mit reichlich Höhenmetern gespickt sind, zählt die Tour schon zu den anspruchsvolleren Strecken. Wir - Birgit, Jürgen, Krissi, Wolfgang und ich - werden heute diese Tour fahren. Aber mal auf anderer Strecke. Südlich um San Marino soll es herumgehen, für die Rückfahrt ist der Passo Grillo eingeplant.

Carpegna

Mittwoch, 7. April 2010

Heute wird wieder ein sonniger Tag sein, schon frühmorgens zeigt sich ein wolkenloser Himmel. Radlerherz, was brauchst du mehr? Wie besprochen geht es pünktlich um 10 Uhr los. Wieder führt uns der Weg an der schon erwähnten Fabrik vorbei, heute haben wir etwas mehr Glück als sonst, der Wind steht günstig und weht uns den Gestank wenigstens nicht direkt in die feinen Näschen. Über San Vito kommen wir schnell nach Santarcangelo, Krissi kennt den Weg durch die Stadt ziemlich gut und führt uns zielsicher Richtung Sant´ Ermete. Ab hier wird es hügelig, einige kürzere, aber giftige Anstiege führen uns zur Grenze nach San Marino.

Falciano, schon in der kleinen Republik gelegen, wird passiert und die Abzweigung nach Mulazzano übersehe ich. So kommen wir auf die Schnellstraße, die von Rimini nach San Marino hochführt. Nicht schön, oh nein. Der starke Verkehr erfordert höchste Aufmerksamkeit und ein gutes Nervenkostüm. Irgendwann wird gestoppt und die Karte studiert. Diesmal die richtige Straßenkarte, dieselbe wurde von ihrem Eigner nämlich heute nicht im Hotel gelassen, so ist´s recht. Damit kommen wir gut zurecht und finden so schnell den Weg aus dieser ziemlich stressigen Situation. Ein Stück noch auf dieser "Autobahn", ab Fiorina hat der Spuk dann endlich ein Ende und wir sind wieder "auf Kurs". Die Nebenstraßen im wohlhabenden, schuldenfreien San Marino sind übrigens von derselben miesen Beschaffenheit, wie wir es hier nun schon gewohnt sind. Wir fühlen uns quasi wie zu Hause.

Die Hügel im südlichen Teil von San Marino erscheinen eher harmlos, allerdings nur auf den ersten Blick. Wir sind nun bei Kilometer 33 unserer Tour, nach einem kräftigen Anstieg erreichen wir einen kleinen Ort bei Mulazzano. Wir machen eine kurze Orientierungspause und beschließen, den vielversprechend aussehenden Weg auf der Strada Montelupo runterzufahren. Ziemlich steil geht es abwärts, nach etwa einem Kilometer schneller Abfahrt ist die Straße zu Ende. Genialer Streich der San Marinoschen Straßenbauer: Sinnvollerweise steht erst hier unten, am Ende der Straße, ein Sackgassenschild. Wir nehmen´s mit Humor, die Schelte für den heutigen Guide (der war ich ... , aber nach der Ranchio-Offroadeinlage rechnen eh alle mit allem ... ) hält sich in Grenzen und ist nicht ganz ernst gemeint. Adventure-Tours eben, schließlich habe ich einen Ruf zu verteidigen! Also wieder zurück und auf die geplante Tour.

Als kleine Belohnung für den unnötigen Strada Montelupo Abstecher geht es jetzt länger bergab, in Faetano sind wir wieder fast ganz unten auf nur 134 Meter. Nach Montegiardino sind es von hier aus gerademal 2,2 Kilometer. Aber auch 200 Höhenmeter. Also fast eine zehnprozentige Durschnittssteigung! Die herrliche Landschaft und die prächtige Aussicht lohnen einmal mehr die Mühen. In Montegiardano fallen wir zum ersten mal auf die trügerisch "niedrig" aussehenden Hügel rein. Nach dem Ort wird es sicher wieder flacher, so sieht das hier jedenfalls aus. Denkste. Erst fünf Kilometer später sind wir ganz oben und erreichen eine Höhe von 500 Meter. Um gleich danach wieder abwärts auf 300 Meter zu fahren, wir sind nun in Mercatino Conca, Kilometer 49 unserers heutigen Ausflugs. Es ist inzwischen richtig warm geworden, bisher der wärmste Tag dieser Woche.

Montelupo

Von Mercatino Conca bis Carpegna sind es noch 20 Kilometer, aber auch gut 700 Höhenmeter. Weil wir ja schlau sind und das wissen, machen wir an einem kleinen Straßencafé irgendwo zwischen diesen beiden Orten eine kleine Pause. Es gibt zu Vorkriegspreisen Cola, Cappuccino und Aqua Minerale. Die Flaschen noch füllen, dann gehts weiter, wir sind etwas in Zeitdruck, und bis Carpegna, dem höchsten Punkt der Tour, werden wir noch ein Weilchen brauchen.

Irgendwo bei Ponte Cappuccini begegnet uns die Gruppe "Rosi", die gerade von Carpegna Richtung San Leo unterwegs ist. Wir sind gerade auf der Abfahrt, es reicht gerade noch zu einem schnell hingerufenen "Hallo". Die Leute sind ja aber wirklich schlecht zu erkennen. Radbrille, Helm und die lustigen bunten Klamotten würden an anderer Stelle bestimmt unter das Vermummungsverbot fallen.

Diese Abfahrt kostet uns gut 100 Höhenmeter, die wir mit dem folgenden Gegenanstieg wieder wettmachen müssen. Der Gipfel des Monte Carpegna ist immer noch schneebedeckt, die Straße hoch zum Cippo ist wohl nicht fahrbar. Aber das hatten wir ohnehin nicht vor, von dieser Seite aus ist das ein richtig harter Brocken. Marco Pantani hat hier oft trainiert, oben auf dem "Cippo" gibt es ein überdimensional großes Denkmal von ihm. Auch der Giro war hier schon. Wir sind froh, als wir bald nach Carpegna den Passo Cantoniera auf 1007 Meter Höhe erreichen. Hier gönnen uns hier eine weitere kleine Pause. Wir denken an letztes Jahr zurück, als Frank bei der Auffahrt hier hoch die Pedalachse gebrochen war. Wirklich schade, dass er nicht dabei sein kann.

Die Abfahrt nach Novafeltria über Pennabilli (250 Meter) ist gut und schnell zu fahren, trotzdem muss man höllisch aufpassen, um an manchen Stellen nicht durch eine Bodenwelle aus dem Sattel geworfen zu werden. Alle kommen gut runter, ein kurzes Stück auf der stark befahrenen Staatsstraße noch, dann fahren wir bei Secciano links weg zum Passo Grillo, den wir ja schon gut kennen. Auch von dieser Seite her ist der "Grillo" angenehm zu fahren, fast gleichmäßig steil geht es hoch. Über zehn Prozent erreicht die Steigung nie. Ich nutze die Unaufmerksamkeit meiner Mitfahrer und gewinne die Bergwertung. Super, als Belohnung werde ich heute Abend das erste Glas Vino Rosso von Jürgen höchstpersönlich eingeschenkt bekommen! Was für ein Tag!

Wieder folgt eine schöne Abfahrt, Ponte Uso noch, wieder Santarcangelo und schon ist es geschafft. Klasse Tour! Nur das Schnellstraßenstück bei San Marino sollte man beim nächsten mal meiden. Der Abend war dann - dank der Bergwertung am "Grillo" - noch ein klein wenig besser als alle anderen. Für mich jedenfalls. Grazie mille Jürgen!

| 145 Kilometer | 2200 Höhenmeter |

Fotos