MTB-Transalp 2010

Die fünfte und letzte Etappe: Rifugio Val Viola-Sfazu-Samedan

Nachdem wir ja die gestrige Etappe verlängert hatten können wir es am letzten Tag ruhig angehen lassen. Start mit einem Supertrail nach dem Pass Viola, Kilometerlanger purer Fahrspass bis runter nach Sfazu an der Bernina-Paßstraße. Über den Berninapass zum Endpunkt unserer Reise.

Abfahrt im Val Viola

Freitag, 16. Juli 2010

Weil wir ja zeitig ins Bett geschickt wurden, braucht es heute nicht einmal einen Wecker. Pünktlich um sieben Uhr, so hatten wir es mit dem „Herbergsvater“ ausgemacht, sind wir in der „Kantine“. Gespannt warten wir auf das, dass da kommen wird. Wir erwarten nichts besonderes und sind auf alles gefasst. Außerdem haben schon mal nachgesehen, wie weit es bis zur nächsten Frühstücksmöglichkeit ist. Bald nach dem Pass da Val Viola kommt das Rifugio Saoseo, sicher können wir da einen Stopp machen. Die Brötchen sehen lecker aus, zum Glück sind es nicht die bei vielen Italienurlaubern bekannten Brötchen, die sich beim Anschneiden im wahrsten Sinn des Wortes aus dem „Staub“ machen. Dazu stellt uns die Wirtin einen kleinen Korb, der mit allerlei Marmeladen gefüllt ist, auf den Tisch. Dazu echten italienischen Kaffee. Mit viel Milch ist er trinkbar. Die Marmelade ist geschmacklich nicht schlechter, als dass, was einem auch bei uns immer wieder auf den Frühstückstisch gestellt und zugemutet wird. Aber das geht schon, wir sind in einem Rifugio auf 2314 Metern Höhe, mitten in den Bergen, und nicht im Hilton. Auch nicht im Crusch Alba, wo wir in dieser Hinsicht ja schon verwöhnt geworden sind. Aber das war gestern.

Nach einer Weile bekommen wir zum Abschluss noch eine Käseplatte serviert. Vier fingerdicke Scheiben vom selben Käse, den wir auch gestern Abend schon hatten. Der schmeckt auch zum Frühstück gut, den Notstopp im Saoseo können wir uns ersparen. Na also! Wir kaufen noch zwei Flaschen Mineralwasser, bezahlen unsere Rechnung und brechen auf. Der Wirt scheint ein Abendmuffel zu sein, seine Laune ist heute früh bedeutend besser. Er erklärt uns noch, dass der Pass da Val Viola seit vergangenem Oktober voll befahrbar ist, und macht uns auf die Abzweigung, die wir unbedingt nehmen sollen, aufmerksam. Ein langes bergab Schiebestück bleibt uns so wohl erspart. Als ob das nicht schon genug wäre, hält er uns zum Abschied sogar noch die Schranke hoch, die den Weg zum Rifugio absperrt. Alles in allem ein zwar sehr rustikaler, aber keineswegs unangenehmer Aufenthalt. Wir hatten sogar Spaß dabei und vergeben einen Stern an das Rifugio Viola! Auch wegen der absoluten Stille hier oben. Gleich nach dem Rifugio fahren wir auf dem bestens gerichteten, schmalen Weg zum Pass da Val Viola, der auf 2455 Meter liegt. Der Tipp unseres Wirtes war gut, tatsächlich zweigt weit oben ein Pfad nach rechts ab. Das haben die Wegbauer klasse hinbekommen. Es folgt eine tolle Trailabfahrt. Schade, dass ich wegen einem platt gefahrenen Hinterradreifen einen Zwangsstopp machen muss. Sauberer Durchschlag, für den felsigen Trail war doch etwas zu wenig Luft im Reifen. Wir sind froh über die CO2 Kartuschenpumpe, Ruckzuck geht es weiter. Der Trail wird immer noch besser, wir haben mal wieder mächtig Spaß. Erst beim Unterkunftshaus Crameri auf 2065 Meter Höhe hat das Vergnügen ein Ende. Fast 400 Höhenmeter Trailabfahrt vom allerfeinsten liegt hinter uns.

Pass da Val Viola

Weitere 400 Höhenmeter Abfahrt auf dem Alpweg liegen hinter uns, als wir in Sfazu auf die Berninastraße treffen. Sfazu besteht aus einem Gasthof und ein paar wenigen Häusern. Irgendwie haben wir hier das Gefühl, wieder in der Zivilisation zu sein. Man wird sensibel auf so einer Alpentour. Der Lärm der Busse, Motorräder, Lastkraftwagen und Autos ist erschreckend. Vorbei mit der Ruhe! Schon gestern Abend, auf der Terrasse vom Rifugio Viola, haben wir, bei kühlem Dreher Bier und einem fantastischen Sonnenuntergang, über den Verlauf der heutigen Etappe gesprochen. Und beschlossen, nicht nach Poschiavo runter zu fahren. Die Zugverbindung von Poschiavo nach Deutschland ist nicht besonders gut, erst um 17.30 Uhr wären wir dort weggekommen und erst sechs Stunden später in Lindau angekommen. Das geht auch anders! Samedan liegt viel günstiger, außerdem können wir so noch den Berninapass mitnehmen. Zwar auf der Straße bis zur Passhöhe auf 2328 Meter, abwärts weiß ich aber was von Berninatrails. Der Verkehr hält sich in erträglichen Grenzen, die Straße ist sehr gut ausgebaut und zieht nicht zu steil hoch. Mit den Alpencross-Reifen rollt es natürlich nicht besonders gut. Zudem eilt es nicht. Einigermaßen entspannt fahre ich nach oben, Wolfgang ist längst nicht mehr zu sehen. So isser eben. Rechts taucht die Abzweigung nach Livigno auf, 2000 Meter Höhe sind nun schon erreicht, die steile Kehrengruppe habe ich auch schon hinter mir. Gut 300 Höhenmeter „nur“ noch! Es ist wahnsinnig heiß, selbst auf dieser Höhe. Ich sitze schlecht, hoffentlich hat das bald ein Ende! Es gibt wirklich nichts Schlimmeres für mich, als mit dem Mountainbike auf einer normalen Straße zu fahren. Ich hasse es!

Baustelle, die Ampel steht auf Rot. Mir kommt die Pause nicht ungelegen. Endlich mal wieder runter vom Sattel. Wolfgang ist inzwischen auch wieder hier, die zusätzlichen Höhenmeter sind für ihn nur ein Extratraining. Es geht weiter. Ich mag nicht mehr, nicht mit diesem Rad auf dieser Straße! Ja, jetzt ein Rennrad. So wie diejenigen, die immer wieder mit ihren leichten Flitzern an mir vorbei ziehen. Ich habe die Schnauze voll, steige ab und schiebe ein kleines Stück. Ein letztes aufraffen, endlich kommt die Passhöhe in greifbare Nähe. Ein Passfoto schnell, dann runter zum Ospizio und Pause. Es ist erst elf Uhr, zu essen gibt es noch nichts. Aber gut Gekühltes zum Trinken. Und dazu einige echt schöne Ausblicke. Billig ist das hier nicht zu haben, die Preise sind unverschämt. Lange bleiben wir nicht. Auf den zahlreichen Wegweisern finden wir nichts, was uns zusagt. Also fahren wir ein paar Kilometer auf der Passstraße abwärts. Links fahren ständig die Züge der Berninabahn und bringen Touristen nach oben. Wir erreichen teilweise über 80 km/h, endlich sehen wir auf der linken Seite auch Radfahrer. Nur kommen wir dummerweise nicht rüber, der Fluss Ova da Bernina liegt zwischen uns und dem Weg, auf dem wir die Radfahrer entdeckt haben. Endlich! Eine Brücke führt über den reißenden Fluss, wir verlassen die Straße und fahren ein gutes Stück auf den bekannten Berninatrails weiter talwärts. Das macht wieder richtig Spaß! Wurde aber auch echt Zeit. So kommen wir bis Pontresina, von dort führt dann ein asphaltierter Radweg nach Samedan.

Berninatrail

Samedan

Es ist nun kurz nach zwölf Uhr. Der Bahnhof ist schnell gefunden. Samedan liegt auf 1772 Meter, trotzdem hat es hier tropische Temperaturen. Der Schalter ist besetzt, ein freundlicher Bediensteter der SBB sucht uns eine gute Verbindung nach Leutkirch raus. Abfahrt um 13.10 Uhr. Umsteigen in Chur und St. Margrethen, Ankunft um 18.45 in Leutkirch. Super! Wir haben noch Zeit und Hunger. Gleich am Bahnhof sehen wir ein Restaurant. Nichts wie hin. Die Preise sind erstaunlich günstig. Wir bestellen das Tagesmenü. Pouletschenkel mit Reis, zuvor eine Suppe und Salat. Lecker wars! Die Zugfahrt über den Albulapass war ein Erlebnis, wirklich eine tolle Strecke. In Chur wartet schon unser Zug. Aber wir dürfen nicht rein. Mit Rad nur mit Reservierung. Haben wir nicht. Der Lokführer kennt sich gut aus und schickt uns ein Gleis weiter, ein Regionalexpress fährt ebenfalls in wenigen Minuten los. Damit kommen wir bis St. Margrethen, von da aus ist es nach Bregenz und Lindau nicht mehr weit. Nach einigen Komplikationen kommen wir dann endlich in Lindau an. Nach kurzer Wartezeit starten wir Richtung Leutkirch. Dass auch bei der DB nicht immer alles glatt verläuft, ist kein Geheimnis. In Wangen müssen wir warten, bis auf der eingleisigen Strecke der verspätete Schnellzug durch ist. Trotz allem sind wir fast pünktlich in Leutkirch, wo gerade das Engele eingeflogen ist und uns mitnimmt.



| 46 Kilometer | 987 Höhenmeter |

Fotos